Der Kalte Kuss Des Todes
die Hülle eines Wesens; mich interessiert der Kern, nicht die Maske, die man der Welt hinhält. Wir Fae gehen zu leichtfertig mit Glamourzaubern um. So wie der Junge hier« – er wies mit einem Kopfrucken auf Finn; die orangefarbenen Perlen in seinen Dreads wurden silbern -, »der die Leute mit seiner hübschen Larve täuscht.«
Finn hatte die Hände lässig in die Hosentaschen geschoben, aber die Haltung seiner Schultern verriet seine Anspannung.
Ich schaute Tavish stirnrunzelnd an. »Finn hat sehr viel mit Menschen zu tun. Es macht ihm den Umgang mit ihnen leichter.«
»Aye, das behauptet er. Aber jetzt scheint ihm die Maske
fast lieber zu sein als seine wahre Gestalt; das war früher nicht so.«
»Die Zeiten ändern sich nun mal, Kelpie«, sagte Finn gepresst. »Etwas, das du gerne zu vergessen scheinst.«
»Okay«, sagte ich langsam und schaute die beiden an, »was ist los mit euch? Was geht da vor?«
»Kümmere dich nicht darum, Püppchen.«
Tavish zog mich näher zu sich, ich stand nun zwischen seinen gespreizten Beinen. Seine großen, warmen Hände umschlossen meine bloßen Unterarme. »Und dann wäre da noch deine eigene Seele, Genevieve.« In seinen Silberaugen tanzten funkelnde jadegrüne Flecken, ein Whirlpool aus Farbe, der mich magisch in seine Tiefen zog, flüssige Lust, warm, verlockend.
»Deine Essenz ist wie ein Fluss, dessen Fluten golden dahinströmen, schöner und funkelnder als die Sonne, eine Augenweide; deine Wasser sind süß und rein und warm, man möchte darin untertauchen und dir seine Seele mit Freuden überlassen.«
Ich lächelte ihn liebevoll an, strich mit meinen Lippen zart über seinen Mund, er schmeckte frisch und süß nach Orangen. Er zog mich noch näher.
»Tavish«, flüsterte ich mit einer Sehnsucht, die mich überraschte, »das ist alles schön und gut, aber mir brennen die Handgelenke.« Ebenso leise, aber mit weniger Inbrunst, fuhr ich fort: »Du hörst also entweder auf, mich mit deiner Magie betören zu wollen, oder es heißt Goodbye, Computer.«
Er warf einen Blick auf meine Handgelenke und stieß entsetzt seinen Stuhl zurück. Er ließ meine Arme los, als ob sie radioaktiv wären. Was sie vielleicht sogar waren, denn die Armbänder glühten wie zwei kleine Supernovas.
Ein unterdrücktes Lachen. Ich schaute mich um. Finn lehnte grinsend an der Wand.
»Scheint nicht so, als ob die Bean Sidhe auf deinen wässrigen Charme reinfällt, alter Gaul.«
Wofür hielten die mich, zum Teufel? Für einen saftigen Knochen, um den man sich balgt?
» Du bist keinen Deut besser!«
Ich war mit wenigen Schritten bei ihm und bohrte ihm den Finger in die Apollo-Brust. Der Finger und meine Armbänder glühten gleichzeitig auf.
»Du hast’s früher ganz genauso gemacht. Und egal, was du vorhin auch angedeutet hast, du bist genauso abgeblitzt wie er!«
Finn hob mein Kinn an. In seinen Augen stand ein schelmisches Funkeln. »Soll ich’s noch mal versuchen? Ich bin sicher, jetzt könnte ich’s viel besser.«
»Nein«, sagte ich knapp und drehte mich wieder zu Tavish um. Mein vorübergehend verwirrtes Hirn wusste wieder, was wirklich wichtig war.
»Alles, was ich will, ist das, worum ich dich gebeten habe. Und falls du’s in der Hitze des Gefechts vergessen haben solltest, Tavish, das wären: ein Glamour, um mein Aussehen zu verändern, Kleidung, ein Handy und Geld.«
Ich machte die Glastür auf. »Und falls du noch mal so was versuchen willst, vergiss eines nicht: Diesmal würde ich deine Computer frittieren.«
11. K apitel
I ch stand draußen vor Tavishs Zelt und starrte mit offenem Mund zu der hohen, mit rosa blühendem Heidekraut bewachsenen Düne hinauf, die sich auf dem Strand auftürmte und einem die Sicht aufs Meer versperrte.
»Was ist denn da passiert?«, fragte ich fassungslos.
»Ich glaube, das warst du, Gen«, sagte Finn leise. »Tavish meint, du hättest irgendwas mit seiner Magie angestellt. Er klang alles andere als erfreut.«
»Aber ich hab doch gar nichts gemacht!«
»Und ob, Püppchen«, schnaubte Tavish. »Als du deine hübschen Zehen in meinen Sand gegraben hast.« Er drückte kurz meine Schulter. »Scheint, als hätte die Magie einen Narren an dir gefressen.«
Ich runzelte die Stirn. Ich wusste natürlich, dass das Dazwischen formbar war. Aber das war Tavishs Revier. Ich musste daran denken, wie er zuvor eine Sandgrube ausgehoben hatte. Ich hatte natürlich gewusst, dass er seine Magie dabei einsetzte, aber ich hätte nie gedacht, dass mein
Weitere Kostenlose Bücher