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Der Kalte Kuss Des Todes

Der Kalte Kuss Des Todes

Titel: Der Kalte Kuss Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne McLeod
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Regen, die Luft war kalt und feucht, und der Abend brach grau und ungemütlich herein. Die Straßenlampen warfen gelbe Lichtpfützen aufs nasse Pflaster.
    Mit wild klopfendem Herzen rannte ich dahin und fragte mich, was, zum Teufel, Lady Isabella einfiel. Okay, ihr Leben war durch die Aufstände ein wenig aus den Fugen geraten, aber das war noch lange kein Grund, mir ihre Dryaden-Miliz auf den Hals zu hetzen. Ob sie für die Verzauberung der Phouka-Würfel verantwortlich war? Ich verfiel in meinen gewohnten schnelleren Laufstil. Ein Gutes hat es, wenn man regelmäßig joggt: Ein kleiner mehrtägiger Bettaufenthalt kann die Fitness kaum schmälern. Ich konnte gut zwei Meilen so weiterlaufen, wenn es sein musste. Leider jedoch verriet mir das Klatschen von Fußsohlen hinter mir, dass mein Gegner ein ebenso geübter Läufer war wie ich. Ich vermutete, dass es sich dabei um die Eiche mit dem Stirnband handelte, die anderen waren viel zu verblüfft gewesen, um schnell genug zu reagieren. Auch war er der Einzige, der versucht hatte, mich festzuhalten. Ich schaute mich nicht nach ihm um; entweder er kriegte mich oder er kriegte mich nicht. Umdrehen änderte nichts daran.
    Plötzlich endete die Häuserzeile zu meiner Linken, und eine Lücke tat sich auf, in der die Silhouette der Golden Hind zu erkennen war, deren Masten in den Sternenhimmel ragten. Überall strebten Menschen – hauptsächlich männlichen Geschlechts – zu den umliegenden Pubs auf ein wohlverdientes
Pint. Die Straße war hier sehr schmal. Ich wedelte wild mit den Armen und schrie: »Achtung! Blondine will durch! Blondine will durch!« Alle lachten und machten mir gutmütig Platz.
    Wenige Sekunden später hörte ich hinter mir wütende Schreie: »He, pass doch auf, du Trottel!« »Aus dem Weg!« und so weiter. Das klang, als hätte es mein Verfolger ein wenig schwerer als ich. Ich rannte weiter. Das Problem war nur, ich konnte zwar weiterrennen, aber ich brauchte ein Ziel, wo die Dryaden mich nicht mehr verfolgen konnten.
    Dryaden sind Fae, eine Türschwelle hält sie nicht auf, so wie einen Vampir. Ein Windstoß fuhr mir ins Gesicht, und wenig später prasselte eisiger Regen auf mich herab wie eine kalte Dusche. Eisen und Stahl konnte die meisten Fae aufhalten, aber die Dryaden waren hier geboren, ihre Bäume wurzelten in der Londoner Erde, sie waren den sauren Regen gewöhnt und die Abgase, die die Stadtluft schwängerten.
    Mit pumpenden Armen rannte ich weiter. Mein langer blonder Pferdeschwanz klatschte rhythmisch auf meine Lederjacke.
    Dryaden hatten keine Probleme mit Autos, aber Züge … Züge konnten sie nicht leiden. Keiner von ihnen benutzte die U-Bahn. Außerdem gab’s da unten keine Bäume, die mir nachspionieren konnten; dort war ich sicher vor dem allgegenwärtigen Wispern und Tuscheln der Blätter.
    Ich erreichte eine Gabelung: Links ging’s unter der London Bridge hindurch, aber dieser Weg führte mich von der nächsten U-Bahn-Station weg. Rechts war es am kürzesten, aber als ich mich in diese Richtung wenden wollte, sah ich, dass auch dieser Weg versperrt war: Zwei große, schlaksige Männer rannten mit raumgreifenden Sprüngen auf mich zu. Sie trugen Turbane, und ihre Gesichter glänzten feucht wie frisch entrindete Stämme. Ihre Rufe ähnelten dem lauten Rascheln von Blättern: Kein Zweifel, das waren Dryaden.

    »Kacke«, keuchte ich. »Auch noch die Verstärkung rufen. Das ist so was von unfair!«
    Die Straße beschrieb an dieser Stelle eine weite Kurve, die ich abkürzte, indem ich übers Gras lief und am Ende über eine niedrige Begrenzungsmauer sprang. Ich bog um die Ecke und sah, wie die schmale, ruhige Straße unter der London Bridge hinwegtauchte und sich dann in der Ferne verlor. Hinter mir hörte ich jetzt die Echos von drei verschiedenen Fußpaaren. Der prasselnde Regen peitschte mir ins Gesicht und lief mir in den Kragen. Auch mein T-Shirt war mittlerweile ziemlich feucht. Vor mir erkannte ich die grünen und blauen Begrenzungslämpchen der unter der Brücke verlaufenden Straße. Geradeaus gelangte man in die City, die die Dryaden mieden, da es dort nur wenig Grün und jede Menge Beton gab. Aber in diese Richtung zu rennen wäre unklug gewesen, da ich mich dort nicht sehr gut auskannte. Aber wenn ich mich recht erinnerte, gab es eine Treppe, die zur Brücke und zu einer U-Bahn-Station hinaufführte: Nancy’s Steps.
    Plötzlich ertönte ein fauchendes Knurren, das mir die Haare zu Berge stehen ließ. In der

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