Der Kalte Kuss Des Todes
Mädchen.
»Die haben damit nichts zu tun, Genevieve.« Seine Worte strichen wie kalter Samt an einem heißen Sommertag über meine Haut, und ich erschauderte, bekam eine Gänsehaut. Dann richtete sich sein Blick nach innen, und auf seinem Gesicht breitete sich ein beinahe schmerzhafter Ausdruck aus.
In der Halle brach plötzlich geschäftige Betriebsamkeit aus.
Der Wachmann ging zu Bobby, löste seine Finger vom Messergriff und zog es mit einem nassen, reißenden Geräusch heraus, bei dem Neil Banner zusammenzuckte. Bobby ächzte auf, und ein frischer Blutstrom quoll aus seinem Bauch und ergoss sich über den Boden. Der Wachmann drehte ihn behutsam auf die Seite.
Grace entfernte geschickt den Schlauch aus dem Hals der Motte. Dann hob Craig sie ganz behutsam auf, als ob sie zerbrechlich wäre, trug sie zu Bobby und legte sie neben ihm ab. Bobbys Lider zuckten, er hob den Kopf, fletschte seine Fänge. In seinem Kopfreif flackerte eine Zitrine kurz auf und erlosch. Malik, der neben mir stand, regte sich unbehaglich. Bobby senkte den Kopf und biss zu. Die Motte bäumte sich auf. Nur seine leisen Sauggeräusche durchbrachen die Stille in der Eingangshalle. Grace und Craig gingen stumm zu den Besucherstühlen und setzten sich hin.
»Erledigt«, sagte Malik.
Er ging dorthin, wo die Motte vorhin noch gelegen hatte, und hob ein blutbeflecktes weißes Stoffband auf. Er hielt es an die Nase und schnupperte. Dann legte er es zusammen und steckte es sorgfältig in seine Jackentasche. Anschließend ging er zur Rezeption und sprach leise mit Hari. Ich spitzte die Ohren, konnte aber nichts verstehen. Ich bückte mich, um meine Jeans aufzuheben und wieder anzuziehen.
»Ms Taylor.«
Schon wieder Neil Banner. Ich richtete mich ungehalten auf. Er lächelte mich hoffnungsvoll an, blickte mir gleichzeitig fest in die Augen. »Ich wollte Sie nur an unser vorheriges Gespräch erinnern und fragen, ob Sie schon zu irgendwelchen Entscheidungen bezüglich der von mir erwähnten Angelegenheit gekommen sind?«
»Sie meinen die delikate Angelegenheit dieses angeblichen Testaments?«
Ich legte mir die Jeans über den Arm und hielt sie vor meinen Körper. Ich selbst war zwar nicht schüchtern, aber Banner schien es plötzlich zu sein. »Da möchte ich doch gerne zuerst meinen Anwalt konsultieren.« Sobald ich einen gefunden hatte, fügte ich in Gedanken hinzu. »Er soll sich dieses Testament einmal genauer anschauen. Oder haben Sie etwas dagegen?«
»Nein, ganz im Gegenteil.« Er reichte mir seine Visitenkarte. »Rufen Sie mich an, sobald Sie können. Heute Nacht noch, wenn’s sein muss. Mein Orden legte größten Wert darauf, die Sache so bald wie möglich zu klären.«
Viel zu viel Wert . Ich neigte den Kopf zur Seite. Es wurde Zeit, ein wenig tiefer zu bohren. »Wie kommt es, dass Sie als Nekromant Mitglied eines religiösen Ordens sind? Werden Ihre Fähigkeiten dort nicht verteufelt?«
»Ah, ich hatte mich schon gefragt, ob Sie verstehen würden, als ich Ihnen von meiner Fähigkeit, Seelen sehen zu können, erzählt habe.« Er lächelte schief. »Aber es ist nicht die Fähigkeit, die uns zu bösen Menschen macht, sondern das, was wir daraus machen.«
»Na gut, das kann ich verstehen.« Ich hätte ihn gerne gebeten, mit Cosette zu reden, aber meine Bullshitantenne vibrierte mittlerweile wie die Stimmgabel einer Sirene.
» Genevieve «, erklang Maliks Samtstimme in meinem Bewusstsein, » wir müssen gehen. Ich habe noch andere Dinge zu tun, abgesehen von dieser Polizeiangelegenheit .«
Ich hatte mich bereits halb abgewandt, um seinem Befehl Folge zu leisten, als mir klar wurde, was ich da tat. Ich schüttelte den Kopf, um die hypnotische Wirkung seiner Aufforderung abzuschütteln. Blöder Vampir. Konnte er nicht einfach fragen wie jeder normale Mensch? Ich zwang mich, stehen zu bleiben und über Banners Bitte nachzudenken. Abermals
fragte ich mich, wieso der Earl das Ei ausgerechnet den Soulern hätte vermachen sollen.
»Die Person, die Sie in diesem Testament bedacht hat«, sagte ich zu Banner, »wissen Sie, warum sie das tat?«
Auf Neil Banners Gesicht tauchte dieses fanatische Bekehrungslächeln auf. »Sie möchte, dass wir für ihre Seele beten.«
Der Earl war mir zwar nie sonderlich religiös vorgekommen, aber ich hatte ihn ja erst seit ein paar Stunden gekannt, als ich ihn umbrachte. Wer konnte also sagen, was in ihm vorgegangen war? Ich bestimmt nicht.
»Nun gut«, sagte ich und nahm seine Karte. »Ich melde
Weitere Kostenlose Bücher