Der Kalte Kuss Des Todes
könnte. Mit ihm in einem Taxi eingesperrt zu sein war also nicht gerade gesund für mich.
»Ich bin nicht so ausgehungert, dass du in Gefahr wärst, Genevieve«, erklärte er leise.
Das beantwortete zwar meine unausgesprochenen Ängste, dennoch schlug mir das Herz bis zum Hals.
Er machte die Augen auf und musterte mich beinahe belustigt. »Obwohl es leichter für mich wäre, wenn du dein Herz ein wenig beruhigen könntest.«
Na toll. Das Monster wollte mich nicht fressen. Noch nicht, jedenfalls.
Ich atmete tief ein, um ruhig zu werden, doch dabei stieg mir sein betörender, würziger Duft in die Nase. In meiner unteren Region begann es zu kribbeln. Ich verdrängte die lästigen Gefühle, indem ich an Fabergé-Eier, Nekromanten, Motten und Bobby dachte. Und an mein Alibi, beziehungsweise die Frage, warum Malik alles stehen und liegen lassen hatte – er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, etwas zu trinken – und zu mir geeilt war, nur um mir ein Alibi zu verschaffen. Ich konnte das nicht ganz glauben. Ich machte schon den Mund auf, um ihn zu fragen, beschloss dann aber, ihn in seinem derzeitigen Zustand lieber nicht mehr zu stören. In dem hochgeschlossenen Anzug wirkte er ohnehin unnahbar – aber es war mehr als das. Mir wurde klar, dass Malik sich ausgeknipst hatte: Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen, seine Lunge arbeitete nicht mehr, und er hatte seine überempfindlichen Vampir-sinne auf ein eher menschliches Niveau herabgeschraubt.
Das lernen die meisten Vampire ziemlich schnell, sobald sie die Gabe erhalten haben, denn es macht das Zusammenleben
mit Menschen leichter. Wie soll man sonst den Verlockungen des Bluts wiederstehen, das, vor allem in einer Großstadt, ständig auf die Vamps einströmt und ihnen das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Wildes Naschen an Hälsen war verboten – außer natürlich mit willigen Blutspendern in lizensierten Lokalen. Ansonsten hieß es Kopf ab: One-Way-Ticket zur Guillotine.
In diesem Moment fiel mein Blick auf die in einer Ecke angebrachte Überwachungskamera des Taxis, und mir kam ein fürchterlicher Gedanke. Aufgeregt beugte ich mich vor und klopfte an die Trennscheibe.
»Fahren Sie bitte zum Krankenhaus zurück«, forderte ich den Fahrer auf.
Dieser rückte ein wenig auf seinem Sitz hin und her und blickte in den Rückspiegel. Ich sah, wie sich die Bremslichter des vorausfahrenden Busses in seinen leuchtend grünen Augen spiegelten.
»Fahr weiter«, befahl Malik.
Der Kobold nickte.
Verdammt . Ich wandte mich aufgebracht zu Malik um. »Im Krankenhauseingang gibt es Überwachungskameras. Die haben sicher aufgezeichnet, wie Bobby das Blut des Mädchens getrunken hat. Das ist im Krankenhaus nicht zugelassen. Dabei spielt es keine Rolle, dass er dem Tode nahe war -«
»Die Kameras haben diesen speziellen Vorfall nicht erfasst«, unterbrach mich Malik. »Die Menschen werden glauben, dass der Vampir und das Mädchen aufgrund ihres persönlichen Einsatzes überlebt haben; das ist alles, woran sie sich erinnern werden.«
Er hatte also auch ihre Erinnerungen manipuliert. Das machte Sinn.
»Aber was ist mit dem Troll? Und dem Knüppler und dem Souler. Die kennen die Wahrheit.«
»Es haben kürzlich mehrere Treffen zwischen der Hohen Tafel der Vampire, der Koboldkönigin und der Stammesmutter der Londoner Trolle stattgefunden.« Er strich sich das Haar aus der Stirn; der kleine dunkle Stein in seinem Ohr zeichnete sich dunkel auf seiner bleichen Haut ab. »Wir haben einige neue Verträge geschlossen, die dafür sorgen, dass das derzeitige Vertrauen der Menschen in die Vampire nicht erschüttert wird.«
Ich schaute ihn überrascht an. Die Vamps und die Kobolde hatten schon immer miteinander geredet, aber dass jetzt auch die Trolle dazustießen, war mir neu. Ich hatte offenbar mehr als meine regelmäßige Venom-Dosis verpasst, indem ich auf meine Ausflüge nach Sucker Town – im »Rosa-Kostüm« verzichtet hatte; auch der Klatsch und Tratsch war mir entgangen.
»Der heutige Vorfall wäre von den Medien rücksichtslos ausgeschlachtet worden«, fuhr Malik fort, »vor allem, da Mr. Oktober darin verwickelt ist. Er wurde ja erst kürzlich vom Verdacht des Mordes freigesprochen; und wenn man dann die derzeit besonders starken Ressentiments der Menschen gegen Fae hinzurechnet, könnte das Ganze sehr wohl zu einer Hetzjagd gegen alle Andersartigen werden. Es liegt daher im Interesse aller Beteiligten, derartige Vorfälle mit Diskretion zu behandeln.«
Und
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