Der Kalte Kuss Des Todes
Schädel zu
schließen – bereitete einen Aderlass vor. Wo war er plötzlich hergekommen, fragte ich mich unbehaglich. Hatte Malik mich so abgelenkt, dass ich die Zeit ganz vergessen hatte? Aber es war nicht nur die verlorene Zeit, die mir Sorgen bereitete … Ich wandte mich wieder Malik zu.
»… mich für die Störung entschuldigen, Troll«, sagte er gerade zu Hari und machte eine ausladenden Armbewegung, die die ganze Halle einschloss. Dann nickte er dem Kobold zu. »Ich gebe euch beiden mein Ehrenwort, dass ich keinem der hier Anwesenden Schaden zufügen will.«
»Schön und gut, Chef.« Thaddäus wies mit einem dicken Daumen auf Neil Banner. »Aber was ist mit meinem Schützling? In meinem Vertrag steht, dass ich auf jeden Versuch eines Vampirs, meinem Klienten eine Gedankenfessel anzulegen, mit drastischen Mitteln reagieren soll.« Er tippte auf seinen Knüppel und entblößte seine rubinbesetzten Zähne. »Geben Sie ihn jetzt frei oder nicht?«
»Die Fessel ist lediglich eine Vorsichtsmaßnahme«, entgegnete Malik ruhig. »Aber wenn du für deinen Herrn bürgst, werde ich ihn freigeben.«
Thaddäus nickte, und sein rotgrauer Pferdeschwanz wippte. »Ich bürge für ihn, Chef.«
Malik nickte anmutig, und Neil Banner blinzelte. Auf seinem zuvor ausdruckslosen Gesicht zeichnete sich ängstliche Besorgnis ab. Aber bevor er etwas sagen konnte, packte Thaddäus ihn am Arm und führte ihn zum abgelegensten Stuhl, auf den er ihn drückte und dann eifrig auf ihn einredete. Aber er sprach so leise, dass ich nicht verstehen konnte, was er sagte.
Ich drehte mich wieder zu Malik um und stellte die Frage, die mich beunruhigte. »Was heißt das – ich kann nichts mehr tun?«
Er schaute zur Motte hinüber. Ihre Haut war krebsrot:
Blutfieber. »Das Herz des Mädchens schlägt zu schnell, und trotz der erhöhten Anzahl an roten Blutkörperchen fließt das Blut so schnell, dass ihre Lungen nicht mehr damit fertig werden. Sie sind dabei zu kollabieren. Ihr Herz schlägt nur noch mühsam, und ihr Blut ist mittlerweile so dick, dass der Zufluss zum Gehirn gestört ist.«
Ein klassischer Fall von Venom-induzierter AdrenalinÜberdosis. Wenn man nichts dagegen tat, war ein Schlaganfall unausweichlich, gefolgt von Herzstillstand. Ich kannte die Symptome – hatte sie am eigenen Leib erfahren, aber ich war eine Sidhe. Die Motte war nur ein Mensch. Ich runzelte die Stirn. Sie wirkte eigentlich ganz friedlich, abgesehen von ihrer krebsroten Haut. Um ihren Mund lag ein seliges Lächeln.
»Warum hat sie dann keine Krämpfe?«, fragte ich. »In dem Zustand kriegt man gewöhnlich heftige Krämpfe.«
»Weil ich ihren Schmerz lindere.«
»Aber man lässt sie ja bereits zur Ader, das wird helfen.«
»Blut aus dem Jugulum zu entnehmen reicht nicht«, erklärte er. »Die Karotis, die Halsschlagader, wäre besser, ist als medizinische Hilfsmaßnahme aber zu gefährlich. Man muss den Blutfluss vom Herzen kontrollieren.«
Wie, das brauchte ich nicht zu fragen.
Der klassische Halsbiss, auch Vampir-Kuss genannt – das Saugen an der Halsschlagader -, ist ein beliebtes, wenn auch illegales Vergnügen in den weniger seriösen Bluthäusern von Sucker Town – gewöhnlich die Heimat von Venom-Junkies wie der Motte. Einer oder mehrere Vamps pumpen einen Junkie mit Venom voll, und wenn der Junkie fast einen Schlaganfall kriegt, beißt ein Vampir in die Halsschlagader und trinkt das Blut, als wär’s Quellwasser. Aber selbst in den skrupellosesten Häusern gibt es immer einen, der die sogenannte Notbremse macht. Ein anderer Vamp, der den Herzschlag
des Junkies überwacht, damit er nicht vollkommen ausblutet, und der die Wunde anschließend wieder heilt.
Der trinkende Vamp ist meist nicht dazu in der Lage, da er so besoffen ist, dass er in einen Bluttraum verfällt. Außer natürlich, er war zuvor richtig ausgehungert, dann verträgt er auch große Mengen.
Ich berührte mit der Zungenspitze die kleine Wunde an der Innenseite meiner Unterlippe. Mir war gerade eine Idee gekommen.
»Könntest du sie retten, wenn du ihr den Vampir-Kuss geben würdest?«
Er musterte mich unbewegt. »Genevieve, das ist nicht möglich für mich.«
»Wieso nicht? Du bist doch hungrig genug, das kann ich sehen.«
»Das stimmt. Ich bin hungrig, und sie ist ein Mensch. Aber wenn ich mich so von ihr nähren würde, wie es mein Blut verlangt, dann würde sie nicht überleben«, erklärte er ausdruckslos. »Anders kann ich es nicht.«
Mir kam plötzlich ein
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