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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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kooperieren. »Die Frage kann ich nicht beantworten, Nones«, sage ich. »Ich weiß es einfach nicht.«
    »Aber wie sollte es irgendwas damit zu tun haben?«, beharrt sie.
    Ja, wie sollte das möglich sein?
    Die Antwort hat etwas mit drei Wörtern zu tun: »Lieb – Grausam – Liebgrausam«. Wenn ich diese Wörter irgendwo in Little Orchard gesehen habe und sie deshalb in der Hypnose aussprach, unmittelbar nachdem ich an Weihnachten 2003 gedacht hatte, wenn der Mörder von Katharine Allen sie in ihrer Wohnung auf einen Notizblock schrieb und dann die Seite abriss und mitnahm, wenn jemand sich dazu inspiriert fühlte, mein Haus anzuzünden, weil die Polizei mich zu dem Fall befragt hatte. Wenn Feuer die Verbindung zwischen der Brandstiftung gestern Nacht und dem Mord an Sharon darstellt …
    Es sind zwei Wörter. Lieb – Grausam – Liebgrausam. Das sind zwei Wörter, nicht drei.
    »Amber?«, sagt Dinah.
    »Mm?«
    »Warum hast du Lieb – Grausam – Liebgrausam auf die Zeitung geschrieben?«
    Theaterautorin und Gedankenleserin.
    Kann ich es erklären, ohne Katharine Allen zu erwähnen? Ich will nicht, dass Dinah und Nonie noch einen weiteren Mord in ihren Köpfen haben.
    »Hat es irgendwas mit uns zu tun?«, fragt Nonie. »Wenn ja, musst du es uns sagen.«
    Direkt vor uns ist ein Rastplatz. Ich finde einen Platz zwischen zwei geparkten Lastwagen. Als ich mich umdrehe, sehe ich Angst auf den Gesichtern der beiden Mädchen und fühle mich schuldig, weil ich ihnen so viel von meiner Unsicherheit mitgeteilt habe. Und jetzt wirst du es wieder tun. Ich strecke ihnen meine Hand entgegen. Nonie drückte sie. Dinah mustert meine Hand, berührt sie aber nicht. »Es hat absolut nichts mit euch zu tun, ich verspreche es. Ihr habt keinen Grund, euch deshalb Sorgen zu machen. Alles wird gut. Ich erinnere mich, die Wörter irgendwo gesehen zu haben, aber ich kann mich nicht erinnern wo. Ich dachte, wenn ich sie aufschreibe und sie mir ansehe, könnte das meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen, aber das hat es nicht. Bislang jedenfalls.«
    »Ist es wichtig?«, fragt Nonie.
    »Sie weiß es doch nicht«, erklärt Dinah in betont gelangweiltem Ton. »Es könnte wichtig sein.«
    »Richtig. Es könnte wichtig sein«, bestätige ich. »Tut mir leid, Dines. Ich weiß, es ist frustrierend. Auch für mich.«
    Sie wendet sich ab und starrt aus dem Wagenfenster auf die Autos, die mit sechzig Meilen pro Stunde vorbeisausen. »Schön«, sagt sie. »Fahren wir jetzt zu diesem Haus oder nicht?«
*
    In Cobham, Surrey, hat es nicht geschneit. Aber geregnet. Als wir von der Autobahn abgefahren waren, tropften die baumgesäumten Straßen und Landsträßchen überall vor Nässe. Trotz der Kälte öffnete ich das Wagenfenster und atmete die feuchte Luft ein, die anders riecht als die Luft im Culver Valley.
    Das Haus hat eine neue Eingangstür – dunkelrot statt schwarz, ohne eingesetzte Buntglasscheiben –, aber ansonsten sieht es noch genauso aus wie vor sieben Jahren. Nicht Little Orchard hat sich verändert, sondern ich. Als ich 2003 hier war, hatte ich keinerlei Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass ich und meine Umgebung real waren, dass wir Teil derselben Szene waren. Heute fühle ich mich losgelöst, als würde mein Bild das der Landschaft überlagern. Egal, wie oft ich mir sage, dass ich tatsächlich hier bin, das Wissen weigert sich, in meinen Geist einzudringen und Teil dessen zu werden, was ich als gegeben hinnehme.
    Ich bin hier. Wir sind hier.
    Mein Auto ist nicht das einzige, das auf dem gekiesten Vorplatz steht. Dicht vor dem Haus parkt ein blauer Honda Accord.
    »Ist es das?«, fragt Nonie. »Das ist ja riesig. Warum brauchtet ihr ein so großes Haus, du und Luke? Wart ihr mit Freunden hier?«
    Ich widerstehe dem Drang, ehrlich zu sein und zu sagen, dass ich keine Ahnung habe, mit wem ich hier war. Jo, Neil, Hilary, Kirsty, Ritchie, Sabina, Pam, Quentin. Was wusste ich 2003 schon über irgendeinen dieser Leute? Was weiß ich jetzt über sie?
    »Da ist ein Trampolin!« Vor lauter Begeisterung klingt Dinah wie ein Kind – ungewöhnlich für sie. »Eins von den großen, wie das von William und Barney!«
    »Es sieht aus wie das eines Lateinlehrers«, sagt Nonie.
    »Das Trampolin?«, höhnt Dinah.
    »Nein, das Haus. Hier könnte ein freundlicher alter Lateinlehrer wohnen. Er hat ein großes Arbeitszimmer mit einem offenen Kamin und trägt Pantoffeln, und er bittet die Schüler in sein Arbeitszimmer und spricht ihre Hausaufgaben mit

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