Der kalte Schlaf
regelmäßig, ruhig und regelmäßig.‹ Eigentlich müsste sie in der Lage sein, mit so was umzugehen, ohne die Beherrschung zu verlieren.«
»Das sagen Sie so, aber kaum jemand kann mit mir umgehen, ohne die Beherrschung zu verlieren.« Amber lächelte. »Nur Sie.«
»Seien Sie nicht albern.« Simon wehrte das Kompliment ab, wenn es denn eins war. Es kam ihm eher vor wie ein Übergriff. Aber es brachte ihn auf eine Idee. »Wie wär’s mit mir?« Die Worte waren heraus, bevor er Gelegenheit gehabt hatte, sie zu überdenken. Jetzt war es zu spät. War das ein ernsthaftes Angebot, oder würde er mogeln, wenn es darauf ankam, und irgendwas erfinden? »Würde es funktionieren, wenn ich es stattdessen machte?«
»Was machte?«
Simon deutete auf den Holzbau in Ginny Saxons Garten, ihre Praxis. »Ginny hat nichts mit alledem zu tun. Jemand hat Kat Allen umgebracht, Ihre Freundin Sharon ist ermordet worden, ein Brandstifter zündet Ihr Haus an – das alles geht Ginny nichts an, oder? Wir sind diejenigen, denen das wichtig ist, Sie und ich. Vergessen Sie Ginny. Wenn ich Ihnen etwas über mich erzähle, das ich noch nie jemand anderem erzählt habe, werden Sie mir dann sagen, was Sie ihr nicht sagen wollten?« Es entsprach nicht ganz der Wahrheit, dass er noch nie mit jemandem darüber gesprochen hatte, obwohl er sich in der Version, die er Charlie erzählt hatte, auf ein Minimum beschränkt hatte. Er hatte gespürt, dass es noch viel mehr gab, was er hätte sagen können, wenn er gewollt hätte, aber er gestattete sich nicht, weiter darüber nachzudenken.
Nein, er würde es Amber nicht erzählen. Lieber würde er sich die Zunge rausschneiden.
»Ich hatte mich schon gefragt, ob und wann Ihnen der Gedanke kommen würde«, sagte sie.
»Das klingt bedauernd.«
»Ich hasse es, großmütig zu wirken, besonders da ich alles andere als großmütig bin, aber trotzdem kann ich das nicht zulassen. Es wäre nicht fair. Sie wollen mir nichts über sich erzählen, und warum sollten Sie auch? Ginny ist Therapeutin. Austeilen kann sie, also sollte sie auch in der Lage sein einzustecken. Sie hingegen … Sie sind ein unbeteiligter Zuschauer. Ginny hat sich einen Beruf ausgesucht, der ihr eine Freikarte dafür gibt, anderen Leuten den Kopf aufzubrechen und in dem ganzen ekligen Kram herumzustochern.«
»Das ist in meinem Beruf nicht so viel anders«, sagte Simon.
Amber lächelte ihn an. »Halten Sie den Mund und seien Sie froh, dass ich Sie nicht in die Grube gestoßen habe, die Sie sich selbst gegraben haben. Sie hätten sich nur eine überzeugende Lüge auszudenken brauchen, und wenn es geklappt hätte, wären Sie sich vorgekommen wie der letzte Dreck. Erzählen Sie mir lieber, seit wann Sie wissen, dass Little Orchard Jo und Neil gehört. Damit werde ich mich zufriedengeben.«
»Seit gestern.«
»Charlie hat Ihnen von unserer Unterhaltung im Café erzählt?«
Simon nickte.
»Warum sollte Jo lügen?«, murmelte Amber. »Warum hat sie uns nicht einfach erzählt, dass sie einen Zweitwohnsitz haben? Es wäre doch niemand neidisch gewesen.«
»Wissen Sie Bescheid über Neil Uttings Firma? Hola Ventana?«
Amber nickte. »Den Namen hat Jo sich ausgedacht. Sie machen Fensterfolien. Es ist ein blöder Name für eine Firma. Das ist Spanisch und bedeutet ›Hallo, Fenster‹.
»Sie haben sich nie gefragt, wo der ganze Gewinn bleibt?«, wollte Simon wissen. »Warum sollte der Inhaber einer so erfolgreichen Firma in einer baumlosen Straße in einer schäbigen Ecke von Rawndesley wohnen, in einem Reihenhaus, das viel zu klein für seine Familie ist?«
Die Überraschung auf Ambers Gesicht sagte alles. »Ich hatte keine Ahnung, dass die Firma erfolgreich ist und so viel Gewinn abwirft. Um ehrlich zu sein, ich konnte nie verstehen, wie sie sich eine Vollzeit-Kinderfrau leisten können. Neil spricht nicht über seine Arbeit, und bei Jo klang es immer so, als könnte Hola Ventana sich gerade mal so über Wasser halten.«
»Weit davon entfernt.« Simon hatte sich vorhin beim Finanzamt über Neil Uttings rezessionsresistentes Unternehmen informiert.
»Dachte sie, wir würden die Hand aufhalten? Nein.« Amber schüttelte den Kopf. »Was immer man sonst über Jo sagen mag, sie ist nicht geizig. Ganz im Gegenteil. Sie lädt ständig Leute ein. Sie unterstützt ihren Bruder Ritchie, sie sagt, er sei das Baby der Familie, und es mache ihr Spaß, ihn zu verwöhnen.«
»Sie wissen ja nicht mal die Hälfte.« Simon erzählte ihr, was er gestern
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