Der kalte Schlaf
»Zurück zu der Warnung. Wovon sollten Sie abgehalten werden?«
»Mit der Polizei zu reden. Mit Ihnen zu reden. Hat nicht richtig geklappt, oder?«
»Also … Jo hat Sharon getötet und Kat Allen umbringen lassen, aber Sie wissen nicht warum? Keine Idee?«
»Keine. Gar keine bei Kat Allen und nur blöde Ideen bei Sharon.«
»Zum Beispiel?«
»Jo wusste, wie nahe wir uns stehen, Sharon und ich. Eifersucht. Sie wollte, dass ich niemanden habe außer ihr.«
»Was bedeuten würde, dass Sie der Preis sind, hinter dem Jo her ist«, machte Simon sie auf den Widerspruch aufmerksam. »Und doch haben Sie gesagt, dass Jo Sie umbringen würde, um die Kinder zu bekommen.«
»Warum sagen Sie mir nicht, dass ich verrückt bin?«, fuhr Amber ihn an. »Ich muss mich täuschen. Alles andere ist unvorstellbar.«
»In einem haben Sie sich nicht getäuscht, Little Orchard gehört Jo. Vielleicht war Ginny diejenige, die es ausgesprochen hat, aber es war Ihnen längst klar. Ich konnte Ihnen vom Gesicht ablesen, dass Sie Bescheid wussten.«
Amber sah aus, als würde sie das am liebsten abstreiten. »Ich hätte es damals wissen müssen, 2003. Es war offensichtlich für jeden, der ein Gehirn hat. Es gab so viele Hinweise. Die Art und Weise, wie Jo ausgerastet ist, als ich vorschlug, die abgeschlossene Tür zu öffnen, völlig unverhältnismäßig. Es hätte mir schon damals aufgehen müssen, dass sie sich nur deshalb so aufgeregt hat, weil die privaten Dinge in diesem Zimmer ihr gehörten – die Katze wäre aus dem Sack gewesen, wenn einer von uns da reingegangen wäre und angefangen hätte rumzuschnüffeln. Und das blöde Trampolin im Garten, genau dasselbe Modell wie bei ihnen in Rawndesley. Und auf Jos und Neils Bett lag eine elektrische Heizdecke, auf den anderen Betten nicht. In Rawndesley hat Jo auch eine elektrische Heizdecke. Und … es gab ein Handbuch für die Gäste, in dem erklärt wurde, wie alles funktioniert. Jo hat nicht mal reingeschaut. Sie hat sogar damit geprahlt! ›Diese Dinger sind doch witzlos‹, hat sie gesagt. ›Jeder Idiot weiß, wie man sich für ein paar Tage in einem Haus zurechtfindet.‹«
Ambers Gesicht war voller Zorn, ihre Stimme ebenfalls. »Sie hat immer über das abgeschlossene Arbeits zimmer gesprochen. Woher wollte sie wissen, dass es das Arbeitszimmer war, wenn sie keinen Blick in das Gästehandbuch geworfen hatte? Wenn sie das Ding nicht geschrieben hatte. Wie kann man nur so blöd sein? Wieso erkenne ich das erst jetzt?«
»Sie können sich nicht vorwerfen, dass Sie das nicht erkannt haben«, sagte Simon. »Ihnen wurde mitgeteilt, es sei ein gemietetes Ferienhaus. Warum sollten Sie auf den Gedanken kommen, das anzuzweifeln?«
»Ich habe gesehen, dass Jo den Schlüssel für das Arbeitszimmer nicht wieder dorthin zurückgehängt hat, wo wir ihn gefunden haben.« Amber schüttelte zornig den Kopf, war nicht bereit, sich selbst so ohne weiteres zu entlasten. »Da hätte ich es wissen müssen, aber … ich wollte es nicht wissen. Ich wollte es nicht wahrhaben. Leugnung, etwas ganz anderes als Verdrängung, Sie erinnern sich? Wenn ich mir gestattet hätte, die Wahrheit über Little Orchard zu erkennen, wie hätte ich dann all die anderen Wahrheiten abwehren sollen, die ich nicht sehen wollte?«
Simon wartete. Ginny stand nicht mehr am Fenster. Ob sie sich wohl darüber freuen würde, dass Amber sie zitierte?
»Ich habe nie wirklich geglaubt, dass jemand aus der Anwohnerinitiative Sharon ermordet hat. Warum habe ich bloß versucht, die Polizei davon zu überzeugen? Nicht um Terry Bond zu retten.«
»Um Jo zu schützen.«
»Obwohl ich sie hasse. Wenn sie stürbe, wäre ich erleichtert. Wenn ich beweisen könnte, dass sie Sharon getötet hat, würde ich sie mit eigenen Händen umbringen.« Simon konnte hören, dass sie weinte. Er würde sie erst wieder ansehen, wenn sie damit aufgehört hatte. Charlie hasste das. Sie nannte es seine »Weinpolitik«, aber nichts, was sie sagte, konnte ihn davon überzeugen, dass er sich nicht richtig verhielt. Wer wollte schon beobachtet werden, wenn er sich in einem solchen Zustand befand?
»Ich habe so lange geschwiegen und nichts getan«, flüsterte Amber.
»Man läuft ja auch nicht rum und bezichtigt Leute des Mordes, wenn man es nicht beweisen kann. Falls Sie das tröstet – mir geht’s ähnlich, und ich habe Erfahrung mit Mordermittlungen. Allerdings nicht mit so etwas. Das ist neu für mich.« Er hörte ein Schniefen und hoffte, dass die Tränen
Weitere Kostenlose Bücher