Der kalte Schlaf
eigenen Therapie stellen musste, welcher Schuld und welcher Scham, ist nicht hinnehmbar. Und ich werde es nicht tun. Wenn das Ihre Vorstellung von einem fairen Deal ist, müssen Sie verdammt nochmal einen an der Waffel haben!
Erstaunlich. Eine Therapeutin, die ihre Klientin beschimpft. Aber wo liegt das Problem, Amber? Ich behandle Sie als Gleichgestellte. Sie gehen auf mich los, ich gehe auf Sie los. Vollkommene Gleichbehandlung.
Ich will Ihnen Ihre Geheimnisse nicht entlocken, damit ich etwas in der Hand habe, das ich später gegen Sie verwenden kann. Ich fordere Sie auf, sich der Wahrheit zu stellen und sie offen auszusprechen, zu Ihrem eigenen Besten. Das wäre meine Empfehlung als Therapeutin, aber ehrlich gesagt, mittlerweile ist es mir ziemlich egal, ob Sie es tun oder nicht. Wenn Sie für alle Ewigkeit mit einem Problem herumlaufen wollen, leugnen Sie einfach weiter. Nur zu.
Ich kann Ihnen nicht im Austausch dafür meine eigenen Geheimnisse verraten. Wir sind nicht zwei Frauen, die miteinander plaudern. Ich bin Therapeutin, und ich bin stolz auf meine Arbeit. Ich habe viel Zeit und erhebliche Mühen aufgewandt, um Ihnen zu helfen, und ich will verdammt sein, wenn ich das ruiniere, indem ich mich Ihnen anvertraue, als wären wir beste Freundinnen. Wenn ich anfange, Ihnen von meinem Leben zu erzählen, meiner persönlichen Geschichte, meinen Fehlern, würde ich Ginny die Frau werden, und glauben Sie mir, die wird Ihnen längst nicht so von Nutzen sein wie Ginny die Therapeutin. Ich habe es vorhin schon gesagt, ich bin hier nur ein Mittel zum Zweck, nichts weiter. Meine Persönlichkeit und meine Erfahrungen spielen hier überhaupt keine Rolle.
Tut mir leid, Simon. Sie hoffen wahrscheinlich, dass ich irgendeine Lüge über mein Leben erfinden werde, um Amber glücklich zu machen, damit sie uns verrät, was sie verschweigt, aber das werde ich nicht tun. Oder hoffen Sie vielleicht, ich würde die Wahrheit sagen? Ihnen beiden meine intimsten Geheimnisse anvertrauen, im Dienst der guten Sache, um einen Mörder zu fassen? Tja, bedaure, aber dazu wird es nicht kommen. Ich habe heute etliche Ausnahmen von meinen normalen Regeln zugelassen, aber diese Grenzüberschreitung wäre eine zu viel.
Lassen Sie mich eins ganz klarstellen, Amber. Wenn wir heute keine weiteren Fortschritte machen, liegt das nicht an meiner fehlenden Bereitschaft, Geheimnisse mit Ihnen auszutauschen. Sie können ruhig Ihre eigene, wenig hilfreiche Einstellung dafür verantwortlich machen. Ich war bereit, Ihnen einen ganzen Vormittag zu reservieren, ich habe deswegen sogar zwei Termine abgesagt. Und was habe ich davon? Sie beschimpfen mich und laufen aus der Praxis, genau wie am Dienstag. Dann überredet Simon mich, Ihnen auch noch meinen Nachmittag zu opfern, und Sie überredet er … ehrlich gesagt weiß ich nicht, zu was er Sie überredet hat. Ganz bestimmt dazu, mit mir zu kooperieren. Sie kommen hier wieder reinstolziert, mit einer ganzen Liste absurder Regeln. Ich darf keine direkten Fragen stellen, ich dürfe keine Antworten erwarten, Sie werden reden, wenn Ihnen danach ist, und abgesehen davon werden Sie einfach daliegen und mich die ganze Arbeit machen lassen, wobei Sie mir deutlich zeigen, dass Sie mich für eine absolute Idiotin halten. Und was mache ich? Ich erkläre mich damit einverstanden. Ich stimme Ihren lächerlichen, kontraproduktiven Regeln zu, ich sage weitere Termine ab, weil auch ich Simon helfen will. Ich musste meinen Hypnose-Text dreimal wiederholen, weil Sie mich ständig unterbrachen, um darüber zu diskutieren, wie viele Stufen eine imaginäre Treppe haben sollte! Sie werden richtig redselig, wenn Sie eine Gelegenheit sehen, mich zu reizen, und den Rest der Zeit strahlen Sie stummen Hohn aus, sind distanziert. Trotzdem war ich bereit, Ihnen eine Chance zu geben. Ich rede mich heiser. Ich zermartere mir das Hirn nach Dingen, die ich erklären kann, ich erkläre Ihnen den Unterschied zwischen Erinnerungen und Geschichten, ich spreche mit Ihnen jedes Detail Ihres Lebens und Ihrer Sorgen durch, alles, um das Ihre Gedanken ständig kreisen, als wäre ich der Moderator irgendeiner »Das war Ihr Leben«-Show, weil ich hoffe, sie dadurch in einen Dialog ziehen zu können, aber vergebens. Sie beharren darauf, Ihre Äußerungen auf das absolute Minimum zu beschränken.
Ja, ich will Simon helfen, aber ehrlich gesagt bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich Ihnen helfen will. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie es verdient haben. Da,
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