Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf
Autoren: Sophie Hannah
Vom Netzwerk:
Uhr. Sie will mit dem Rauchen aufhören, und sie hatte von einigen Leute gehört, dass es mit Hypnose geklappt hat …« Simon wollte hinzufügen, dass es eine ganz praktische, rationale Lösung für ein häufig vorkommendes Problem sei, aber er ließ es bleiben. Nachdem er Charlie versichert hatte, das Ganze müsse ihr nicht peinlich sein, es bestehe kein Grund, es geheim zu halten, war er fest entschlossen, es selbst auch nicht peinlich zu finden.
    »Alle Termine hatten sich um fast eine Stunde nach hinten verschoben, was ein Problem für Hewerdine zu sein schien, also bot Charlie ihr an, sie vorzulassen. Sie war ganz froh, es verschieben zu können. Sie war sich sowieso nicht ganz sicher, ob sie es durchziehen wollte. Sie unterhielt sich kurz mit Hewerdine. Während dieser Unterhaltung saß Charlie in ihrem Auto, ein aufgeschlagenes Notizbuch auf dem Schoß. Es könnte sein oder auch nicht, dass Hewerdine gesehen hat, was dort stand.« Simon zog das Notizbuch aus der Innentasche seiner Jacke, in die er es gezwängt hatte, und klatschte es auf den Tisch, damit der Schneemann hörte, was er verpasste, wenn er dem Raum den Rücken zukehrte.
    Die Geste zeigte keinerlei Wirkung. Als würde er die Vernehmung eines Verdächtigen aufzeichnen, erklärte Simon laut und deutlich: »DC Waterhouse zieht ein in blaues Leder gebundenes Notizbuch aus der Tasche und legt es auf den Tisch. Er schlägt es auf der relevanten Seite auf, der Seite, die Amber Hewerdine gesehen haben könnte. Die Wörter, die auf der Seite stehen, kennen wir alle: ›Lieb – Grausam – Liebgrausam‹. Geschrieben mit schwarzer Tinte, wie eine Liste angelegt.« Das Notizbuch wollte nicht aufgeschlagen liegen bleiben. Simon musste den Buchdeckel zurückbiegen. »Sie kennen alle Charlies Handschrift«, sagte er. »Diejenigen, die sich die Mühe machen wollen, können sehen, dass es ihre Handschrift ist.«
    Er sah, wie Sam Kombothekras Augen sich weiteten. In ihnen stand eine dringliche Frage, eine Frage, die Simon nicht beantworten konnte. Ich weiß auch nicht, wieso. Er fühlte sich wie ein Schüler kurz vor der Entlassung oder ein Soldat kurz vor dem Ende seiner Dienstzeit – froh und bereit zu kleineren Regelverstößen. Nur dass er nicht vorhatte, den Dienst zu quittieren, zumindest nicht freiwillig. Und ihm war nur allzu klar, dass er die negativen Auswirkungen seiner neuen Angstfreiheit jederzeit zu spüren bekommen konnte. Und nicht nur er, sie alle. Er versuchte, Sam das mit einem winzigen Achselzucken mitzuteilen: Nein, ich habe nicht gekündigt. Mir ist auch nicht mitgeteilt worden, dass ich nur noch weniger als einen Monat zu leben habe oder dass Proust nur noch einen Monat hat. Ich mache es so, weil es so am besten ist.
    »Charlie nahm sich etwas Arbeit mit in den nächsten Pub, um die Stunde herumzukriegen«, fuhr er fort. »Um sechzehn Uhr, sie war zu Ginny Saxons Praxis zurückgekehrt, stieß sie auf Hewerdine, die gerade herauskam. Laut Charlie wirkte Hewerdine ein wenig high – in ihrer eigenen kleinen Welt gefangen, als würde etwas sie gedanklich stark in Anspruch nehmen. Sie teilte Charlie mit, sie habe gesehen, was in ihrem Notizbuch stand, und bat sie, zu bestätigen, dass die Worte ›Lieb – Grausam – Liebgrausam‹ tatsächlich in ihrem Notizbuch standen. Charlie beantwortete die Frage mit nein, was sowohl der Wahrheit entsprach als auch nicht.«
    »Eine faktische Unmöglichkeit«, steuerte Proust säuerlich bei.
    »Hewerdine hätte unmöglich sehen können, was sie gesehen zu haben glaubte«, erklärte Simon. »Das ist der springende Punkt: Um fünfzehn Uhr, als Charlie mit ihrem aufgeschlagenen Notizbuch im Auto saß – und nur zu diesem Zeitpunkt hätte Hewerdine das Notizbuch sehen können –, standen die Worte nicht darin, jedenfalls nicht alle.«
    Sellers machte den Mund auf, aber Simon brauchte seine Frage nicht zu hören, um sie zu beantworten. »Charlie ist sich absolut sicher: Bei ihrem ersten Gespräch mit Hewerdine, um fünfzehn Uhr, hatte sie ›Lieb‹ und ›Grausam‹ geschrieben, aber mehr nicht. Ungefähr eine halbe Stunde später, im Pub, Hewerdine war nirgendwo in Sicht, schlug sie die entsprechende Seite in ihrem Notizbuch wieder auf und fügte ›Liebgrausam‹ hinzu. Warum tat sie das? Sie dachte, dass es vielleicht irgendwie helfen könnte, auf die Wörter zu starren, dass ihr so vielleicht etwas einfallen könnte. Das haben wir ja alle schon getan. Es hat nicht geklappt, bei ihr genauso wenig wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher