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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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es getan habe, denn sonst hätten wir diesen Hinweis nicht. Wovon reden Sie, wenn Sie sagen, es ist so nie passiert? Wollen Sie damit andeuten, dass Charlie lügt?«
    Der Raum füllte sich mit den zu lauten Atemgeräuschen aller Anwesenden. Wenn Simon mit geschlossenen Augen hätte raten sollen, hätte er gesagt, es befänden sich zwanzig Leute im Raum, die auf der Flucht vor einem Raubtier sind. Die Weigerung, sich von jemandem einschüchtern zu lassen, der objektiv einschüchternd war, hatte etwas Belebendes. Simon surfte auf einer Adrenalinwelle – er hoffte nur, dass das nicht sein Urteilsvermögen schmälerte.
    »Wir wollen doch nicht in Abwesenheit schlecht über die arme Sergeant Zailer sprechen«, erwiderte Proust. »Warum sollte sie lügen? Fehler zu machen ist schon immer ihre Spezialität gewesen, auch als ihr Verfallsdatum noch nicht abgelaufen war, und wahrscheinlich ist ihr jetzt wieder einer unterlaufen. Diese Hewerdine hat die Wörter in ihrem Notizbuch gesehen – alle Wörter, zusammen, zur selben Zeit. Es gibt keine Verbindung zwischen Hewerdine und dem Mord an Katharine Allen.«
    Simon hatte vorhergesehen, dass der Schneemann abweisend und wenig entgegenkommend reagieren würde, aber dass er alles einfach abstreiten würde, hatte er nicht erwartet. Doch er blieb bei seinem Standpunkt. »Charlie ist sich sicher. Als Hewerdine das Notizbuch gesehen hat, stand ›Liebgrausam‹ nicht da, nur ›Lieb‹ und ›Grausam‹. Und wenn Sie schon von überwältigender Unwahrscheinlichkeit reden, was sagen Sie dann zu der Wahrscheinlichkeit, dass jeden Tag in jeder Sekunde unwahrscheinliche Dinge geschehen? Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass Sie geboren werden würden – Sie, Giles Proust, genau so, wie Sie sind? Oder irgendeiner von uns. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass wir vier zusammenarbeiten würden?« Simon musste lauter brüllen, als er eigentlich wollte, weil er es für alle tat, für alle Menschen, die dem Schneemann am liebsten ins Gesicht gebrüllt hätten, es aber nicht wagten. Er war ihr Stellvertreter.
    »Wir vier arbeiten also zusammen?«, sagte Proust angespannt. »So würden Sie es also nennen? Sind nicht eher drei Personen mit einem delirierenden Fanatiker eingesperrt?«
    Simon zwang sich, ein paar Sekunden zu warten, bevor er etwas erwiderte. »Ist es wirklich dermaßen unwahrscheinlich, dass eine Frau, die in Rawndesley wohnt, etwas mit einem Mord zu tun haben könnte, der in Spilling geschah, das zwanzig Minuten entfernt liegt? Oder dass diese Frau in Great Holling, ganz in der Nähe ihrer beiden Wohnorte, mit Charlie zusammentreffen könnte?«
    Niemand sagte etwas. Natürlich nicht. Wenn der Schneemann sich so standhaft weigerte, auf eine direkte Frage zu antworten, bedeutete das, dass es allen übrigen Anwesenden verboten war, darauf zu antworten. Das gehörte zu den vielen ungeschriebenen Regeln, an die sich alle gewöhnt hatten.
    »Amber Hewerdine hat die Worte ›Lieb‹ und ›Grausam‹ in Charlies Notizbuch gesehen, und sie hat eine Verbindung hergestellt«, beharrte Simon. »Sie hat Charlie danach gefragt, weil es ihr wichtig war. Etwas an diesen Worten beunruhigte sie. Charlie hatte ihr versichert, in ihrem Notizbuch könne sie sie nicht gesehen haben, aber damit gab Hewerdine sich nicht zufrieden. Charlie schloss ihren Wagen nicht ab und ließ das Notizbuch auf dem Beifahrersitz liegen, als sie zu ihrem Hypnosetermin ging, weil sie überprüfen wollte, wie entschlossen Hewerdine war, es in die Finger zu bekommen. Sie fand es bald heraus: äußerst entschlossen. Als sie ein paar Minuten später wieder herauskam, saß Hewerdine in ihrem Auto und las in ihrem Notizbuch.«
    »Ernsthaft?«, fragte Sellers. »Dreiste Kuh.«
    »Warum war es ihr so wichtig zu erfahren, ob diese Worte in dem Notizbuch standen?«, fragte Sam.
    »Ginny Saxon hat mir diese Frage vor ungefähr zwanzig Minuten am Telefon beantwortet«, sagte Simon. »Während der Therapiesitzung fragte sie Hewerdine nach einer Erinnerung …«
    »Einer Erinnerung?«, sagte Proust. »So funktioniert das also, ja? In einem Café bittet man um eine Serviette, in einer Praxis für Hypnosetherapie bittet man um eine Erinnerung?«
    Simon konnte nicht umhin zu bemerken, dass die Laune des Schneemanns sich gebessert zu haben schien. Bereitete es ihm Vergnügen zu beobachten, wie Simon die Beherrschung verlor und herumtobte? Wertete er das als Sieg? »Zunächst reagierte Hewerdine nicht. Dann sagte sie laut zu

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