Der kalte Schlaf
DS Sam Kombothekra und DC Colin Sellers geschlungen waren. Sie saßen angespannt am Konferenztisch. Beide warfen Simon einen Blick zu, als er eintrat – einen sehr ähnlichen Blick, obwohl Sam und Sellers so unterschiedlich waren, wie zwei Menschen es nur sein konnten. Der Blick besagte: Was zum Teufel soll das, was bringst du ihn schon im Voraus dazu, vor Wut zu platzen? Jeder wusste, wie der Hase lief: Wenn man dem Schneemann etwas mitzuteilen hatte, das er noch nicht wusste und ihm möglicherweise nicht gefallen würde – und in diese Kategorie fiel beinahe alles –, näherte man sich ihm zögerlich, bekundete stammelnd seine Bereitschaft, sofort alles zu enthüllen, was man wusste. Die unvermeidliche Schimpfkanonade nahm man als gerechte Strafe dafür hin, dass man ihm die entscheidenden Informationen nicht früher mitgeteilt hatte, am besten noch bevor man sie selbst kannte. Ganz sicher rief man ihn niemals an, wenn er gerade Feierabend machen wollte und sowieso schon eine halbe Stunde zu spät zum Abendessen war, um ihm mitzuteilen, dass es eine dringende Dienstbesprechung gebe, um sich dann zu weigern, am Telefon mehr zu sagen, ganz so als wäre man der Boss und er der Untergebene.
So sah es aus. Das wusste Simon ebenso gut wie Sam und Sellers. Am liebsten hätte er gelacht über die Dummheit der Leute, die annahmen, er würde sich das noch länger gefallen lassen. Er blieb in der Tür stehen und starrte auf Prousts starren Rücken. Richtige Schneemänner schmolzen, Proust nicht. Er erzeugte sein eigenes Eis – von innen heraus.
Niemand sagte etwas. Sam seufzte. Schließlich meldete Sellers: »Waterhouse ist hier, Sir.«
»Er weiß, dass ich hier bin.« Eine Herausforderung. Proust würde sie ignorieren.
»Soll ich versuchen, Gibbs auf dem Handy zu erreichen, um zu sehen, wo er bleibt?«, fragte Sellers.
»DC Gibbs wird sich uns nicht anschließen«, sagte Proust, der immer noch aus dem Fenster schaute. Eine Sekunde lang fragte Simon sich, ob der Inspector versuchen würde, seine Lagebesprechung zu übernehmen. Konnte es sein, dass Proust bereits Bescheid wusste? Aber wie sollte das möglich sein?
»Möchte jemand raten, was Waterhouse mit Gibbs angestellt hat? Hat er ihn zum Chief Constable befördert? Ihn gefeuert?«
Simon entspannte sich. Nein, der Schneemann war ihm keinen Schritt voraus. Er ließ nur seinen Sarkasmus spielen, den stärksten Muskel in seinem Körper.
»Hat er ihn als schwarz-weißen Minnesänger verkleidet, um hinter den Kulissen bereitzustehen?«
Ein Grinsen huschte über Sellers’ Gesicht, aber es verschwand schnell wieder. Die Atmosphäre geballter Wut in diesem Raum neutralisierte sofort jeden Humor.
»Es muss einen Grund dafür geben, dass Gibbs als Einziger nicht hier ist, also hören wir uns Ihre Vorschläge an.« Proust drehte sich zu seinem Publikum um, wobei er sorgsam darauf achtete, nur Sam und Sellers anzusehen. »Sergeant? Detective? Ausnahmsweise lade ich zu wilden Spekulationen ein. Dank Waterhouse sind wir gezwungen, unser verkrampftes Bewusstsein zu weiten und in eine Dimension einzutreten, in der alles möglich ist.« In jedem Wort pulsierte eine beherrschte Empörung, als wisse nur der Schneemann, welches Schicksal sie alle erwartete. »In unserer Erheiterung haben wir vergessen – ich nenne keine Namen, um Empfindlichkeiten zu schonen –, dass manche Dinge eben nicht möglich sein sollten.« Endlich schaute Proust Simon an – ein Blick, der keinen Zweifel daran ließ, dass er ihn in diese spezielle Kategorie einordnete.
»Gibbs befragt eine Frau namens Amber Hewerdine«, sagte Simon. »Ich muss zu ihm, sobald ich kann. Ich will sie gern persönlich befragen.« Simon schaute Proust an. »Es wird Ihnen nicht gefallen, wie es dazu gekommen ist, aber Sie wären verrückt, wenn Ihnen das Ergebnis nicht gefallen würde. Es ist der erste Hinweis überhaupt, den wir im Fall Katharine Allen haben.«
»Sitzen wir auch alle bequem?«, murmelte Proust und drehte sich wieder zum Fenster um. »Dann lasst ihn beginnen.«
»Amber Hewerdine, vierunddreißig, wohnhaft Clavering Road, Rawndesley, arbeitet in der Stadtverwaltung von Rawndesley. Sie hatte heute um fünfzehn Uhr einen Termin bei der Hypnotherapeutin Ginny Saxon in Great Holling. Ich weiß nicht, weswegen Hewerdine sie aufgesucht hat – Saxon weigert sich, es mir zu sagen –, aber während Hewerdine draußen wartete, begegnete sie Charlie. Charlie hatte ebenfalls einen Termin bei Saxon, um vierzehn
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