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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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danach aus. Es waren mehr als zwanzig Schläge.«
    Amber zuckte zurück. »Muss ich das alles wissen? Oder mir das ansehen? Könnten Sie das wieder wegpacken?« Ihre Haut wirkte blasser, fleckig. Sie legte die Hand vor den Mund.
    »Ich hatte mich schon gefragt, ob Mord vielleicht keine große Sache für Sie ist«, bemerkte Gibbs.
    »Und warum?«, fragte sie zornig zurück. »Weil ich müde bin? Weil ich nicht in Tränen ausbreche, wie es von sensiblen Frauen erwartet wird? Ich habe seit achtzehn Monaten nicht mehr richtig geschlafen. Ich kann jederzeit kurz wegnicken, nur nicht im Bett, wenn sich die langen Stunden der Nacht vor mir erstrecken. Dann bleibe ich garantiert wach. Und ja, der Mord an einer Frau, die ich nicht kenne, macht mich weniger betroffen, als es der Mord an einem Menschen tun würde, den ich kenne und an dem mir etwas liegt. Und nur damit Sie’s wissen, auch wenn Sie den Namen Katharine fünfhundertmal sagen, werde ich mich ihr nicht näher fühlen, als wenn Sie sie ›Ms Allen‹ oder ›das Opfer‹ nennen würden.«
    »Sie wurde Kat genannt«, sagte Gibbs. »So nannten ihre Freunde sie und ihre Kollegen.«
    Amber holte tief Luft und schloss wieder die Augen. »Selbstverständlich lässt es mich nicht kalt, dass eine Frau ermordet wurde. Ich bedaure es, auf die abstrakte Weise, mit der wir den Tod von Leuten bedauern, die wir nicht kennen. Selbstredend finde ich es nicht ideal, dass da draußen jemand ist, der es in Ordnung findet … das mit dem Kopf eines Menschen zu machen.«
    »Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie weinen«, sagte Gibbs. »Ich erwarte, dass Sie sich fürchten. Die meisten Menschen, schuldig oder unschuldig, hätten in so einer Situation Angst davor, wegen Mordes festgenommen zu werden.«
    Amber sah ihn an, als wäre er ein Idiot. »Warum sollte ich davor Angst haben? Ich habe nichts damit zu tun, und ich weiß nichts darüber.«
    »Wenn die Polizei annimmt, dass ein Zeuge lügt, kommt es vor, dass er unter Anklage gestellt wird.«
    »Normalerweise aber nur, wenn er wirklich lügt. Oder, in den siebziger Jahren, wenn er Ire war.«
    Irgendwo unter all der gespielten Abgeklärtheit musste ihr mulmig zumute sein. »Eins kann ich Ihnen verraten, und das ganz umsonst«, sagte Gibbs. »Wenn die Presse herausfindet, dass wir mit Ihnen reden, wird das ganze Land Sie für schuldig halten, bevor es zu einer offiziellen Anklage kommt, und auch dann, wenn es nie dazu kommt – es sei denn, Sie nehmen ein paar Korrekturen an Ihrem Verhalten und Ihrer Einstellung vor. Sie sind genau die Art Frau, die die öffentliche Meinung liebend gern in der Luft zerreißt.«
    Sie lachte darüber. »Wie denn – mager, große Klappe und immer in der Defensive? Aber etwas unterscheidet mich von diesem Typ Frau.« Was war das denn? Flirtete sie etwa mit ihm? Immer noch lächelnd, sagte sie: »Ich besitze einen unwiderstehlichen Charme, mit dem ich die Leute für mich gewinnen kann, wann immer ich will. Sie mögen mich nur deshalb nicht, weil es mir egal ist, ob Sie mich mögen oder nicht. Fragen Sie, warum es mir egal ist.«
    Gibbs schwieg. Wartete.
    »Weil Sie ein Idiot sind.« Amber betonte jedes Wort sorgfältig. »Sie wollen wissen, wer Katharine Allen umgebracht hat. Ich versuche, Ihnen zu helfen, so gut ich kann. Wenn Sie mal zuhören würden, versuche ich es noch mal. Ich weiß es natürlich nicht, aber ich würde mal annehmen, dass der Täter sie kannte und entweder nicht leiden konnte oder irgendwie von ihrem Tod profitierte. Und nur für den Fall, dass Sie zu dämlich sind, das selbst zu erkennen, mache ich sie darauf aufmerksam, dass diese Beschreibung auf mich nicht zutrifft. Und trotzdem scheinen Sie seltsamerweise anzunehmen, dass ich Ihnen helfen kann. Und das wiederum muss bedeuten, Sie wissen etwas, das ich nicht weiß. Da mein IQ überdurchschnittlich hoch ist, nehme ich stark an, dass es irgendwas mit dieser dämlichen Frau und ihrem Notizbuch zu tun hat.« Sie seufzte tief. »Begreifen Sie nicht, dass wir nur weiterkommen, wenn Sie mir sagen, was Sie mir bisher verschwiegen haben?«
    Das war etwas, das Gibbs schon häufiger an Frauen aufgefallen war: Sie wollten ganz ernsthaft, dass man mit ihnen redete, taten aber alles, was in ihrer Macht stand, um einen dazu zu bringen, eben das nicht zu wollen.
    »Oh, was, Ende des Gesprächs?« Ambers Stimme vibrierte vor Hohn. »Gute Idee. Klasse Idee. Wenn Sie nichts weiter zu sagen haben, habe ich auch nichts weiter zu sagen – denn solange

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