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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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›das‹ meine ich Sie.«
    »Ich werde mich darüber nicht mit Ihnen streiten, Sir«, sagte Simon müde. Sir? Wo war das denn hergekommen? Er hatte Proust seit Jahren nicht mehr »Sir« genannt. »Ich werde nicht versuchen, eine Position zu widerlegen, die Sie lediglich eingenommen haben, um mir auf den Sack zu gehen. Sie wissen es, ich weiß es, wir alle wissen es: ›Lieb – Grausam – Liebgrausam‹ ist eine hinreichend ungewöhnliche Kombination von Wörtern. Wir sollten das ernst nehmen.«
    »Wenn Ihnen so sehr daran liegt, mit dieser Hewerdine zu sprechen, warum haben Sie dann Gibbs losgeschickt, damit er sie abholt?«, blaffte Proust. »Warum lassen Sie ihn mit der Vernehmung beginnen? Haben Sie ein spezielles Ausbildungsprogramm für ihn entwickelt, in das wir Übrigen nicht eingeweiht sind? Das Simon-Waterhouse-Diplom für zufallsbasierte Polizeiarbeit und allgemeine Manie?«
    Simon sah, dass Sellers versuchte, nicht zu lachen. »Ich habe Gibbs gebeten, sie herzubringen, um mir ein wenig Zeit zu erkaufen«, sagte er. »Ich wollte Charlie nach den Details fragen, mit Ginny Saxon reden, mit Ihnen reden …« Er wusste, er musste den Schritt wagen, aber er zögerte es so lange hinaus, wie es ging. »Es gibt da etwas über Gibbs, das Sie wissen müssen. Ich werde ihm sagen, dass ich es Ihnen gesagt habe, aber … es fällt mir leichter, wenn er nicht hier ist.«
    »Sie haben eine Sternchenkarte für ihn gebastelt«, kam Proust ihm zuvor. »Jedes Mal, wenn er seine Karriereaussichten weiter den Bach runtergehen lässt, indem er den Laufburschen für Sie spielt, anstatt die Aufgaben zu erledigen, die ihm von Sergeant Kombothekra zugewiesen wurden, bekommt er ein goldenes Sternchen. Wenn er sich zehn verdient hat, darf er Ihre Mutter zur Kirche fahren und …«
    »Sehr zu Witzchen aufgelegt heute, was?« Simon schnitt ihm das Wort ab. »Schade, dass Sie zu kleingeistig sind, um zuzugeben, warum Sie so gute Laune haben: Wegen des Hinweises, den Sie mir verdanken.«
    »Des Hinweises, den Sie Sergeant Zailer verdanken«, korrigierte der Schneemann ihn.
    Simon seufzte. Der Versuch, mit Proust zu reden, kam dem Versuch gleich, den Motor eines Autos zu starten, das schon längst zu einem Metallwürfel gepresst wurde. »Wahrscheinlich werden wir Charlies Notizbuch zu den Beweismitteln nehmen müssen.« Er richtete seine Worte an Sam. »Sehr wahrscheinlich zumindest. Sie werden also alle sehen können, was abgesehen von den drei Wörtern noch in dem Notizbuch steht.« Simon deutete auf die Seite. »Bevor Sie zufällig darüber stolpern, sage ich es Ihnen lieber gleich: Es sind Briefe. Von Charlie an ihre Schwester Olivia, nicht zum Abschicken gedacht.« Simon starrte auf die Tischplatte. »Geschrieben, um ihrer Wut Luft zu machen.«
    Proust machte sich über das Notizbuch her wie ein Raubvogel.
    »Sind sie immer noch zerstritten?«, fragte Sam, der glaubte, dass harmonische Beziehungen sowohl wünschenswert als auch möglich waren.
    Sellers entwickelte ein plötzliches Interesse am Ausblick, den man vom Fenster aus hatte: Das Rathaus auf der anderen Straßenseite wurde renoviert. Das Gebäude war eingerüstet und mit blauen Plastikplanen bedeckt. Er weiß Bescheid, dachte Simon.
    »Gibbs und Olivia … haben was miteinander. Seit unserer Hochzeit.«
    Colin Sellers schüttelte den Kopf und sah zornig aus. Simon hatte einen Mann verraten, der seine Frau betrog, und damit gegen das einzige moralische Prinzip verstoßen, das Sellers etwas bedeutete.
    »Etwa derselbe Gibbs, dessen Frau im April Zwillinge erwartet?« Die Geschwindigkeit, mit der Proust seine Frage abfeuerte, überzeugte Simon davon, dass er es ebenfalls gewusst hatte. Sam nicht, das konnte man ihm vom Gesicht ablesen. »Gibbs und Olivia Zailer. Mit meiner Sternchen-Idee lag ich also gar nicht so falsch – er tut, was Sie ihm sagen, und bekommt dafür seine ureigene Zailer-Schwester. Kann ich das als Trostpreis bezeichnen, ohne für obszön gehalten zu werden?«
    »Ich habe Ihnen jetzt das Einzige mitgeteilt, was Sie in Erfahrung bringen könnten, wenn Sie die Briefe in Charlies Notizbuch lesen«, sagte Simon. »Folglich brauchen Sie sie nicht mehr zu lesen, und ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie es nicht tun. Charlie ebenfalls.«
    Sam Kombothekra nickte.
    »Geht mich nichts an«, sagte Sellers.
    »Theoretisch könnte die Lektüre des Notizbuchs uns mehr verraten als die bloßen Fakten.« Demonstrativ blätterte Proust im Notizbuch. »Wir könnten

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