Der Kalte
gewährten, unter den Kollegen um Verbündete geworben sowie neu hinzukommende Fragen aufbereitet und saß nun mit heruntergezogenen Mundwinkeln neben Wais. Das machte die Atmosphäre nicht freundlicher.
Klingler erhob sich, unterbrach die einleitenden Worte von Novacek:
»Wie kommt es, dass Sie, Herr Doktor Wais, der aus seiner nazifeindlichen Gesinnung auch damals angeblich keinen Hehl gemacht hatte, nachweislich Mitglied der SA gewesen sind?«
Wais hörte sich mit verbindlichem Lächeln diese Frage an, wartete einen Moment, nachdem Klingler geendet und
sich geräuschvoll niedergesetzt hatte, wandte sich kurz dem Novacek zu, überging dessen unmerkliches Nicken und breitete beide Arme aus.
»Schauen Sie«, sagte er ruhig, »ich hatte, als ich nach neunzehnachtunddreißig an der Konsularakademie studierte, ein paar Mal, vielleicht drei, vier Mal, an reiterlichen Sportveranstaltungen der Konsularakademie teilgenommen. Später, und das weiß heute jeder, wurden alle Reiterverbände in SA -Reiterstandarten übergeführt, also ihnen überstellt, eingegliedert, das war aber schon längere Zeit nachher. Ich bin da ja inzwischen schon eingerückt gewesen.«
Apolloner rief hinaus: »Also so gesehen waren Sie Mitglied. En bloc überführt?«
»Aber nein, aber nein, wo denken Sie hin? Die haben mich von der Konsularakademie dorthin gemeldet, das nehme ich an, mit einer Liste von den acht oder zehn Studenten, die an den Reitübungen und übrigens auch an drei oder vier Diskussionsveranstaltungen teilgenommen hatten, oder so. Dann ist ja gar nichts mehr geschehen, außer dass dort irgendwas eingetragen wurde, was ich aber nicht weiß.«
Apolloner, den sein Chef Klingler bremsen wollte, stand auf und las von einem Papier ab:
»Ihre Wehrstammkarte hatte Sie am vierzehnten Juni neunzehnneununddreißig als SA -Mitglied registriert. Eingezogen wurden Sie am achtundzwanzigsten August nach Kleinmachnow bei Berlin. Heißt das, dass Sie gleichsam rückwirkend, nachdem Sie eingerückt worden waren, zum SA -Mitglied gemacht wurden?«
»So muss es gewesen sein.«
Als bei den Presseleuten eine gewisse Heiterkeit laut wurde, hob Wais wiederum die Arme, umschloss gleichsam die Schmunzelei.
»Diese Kollegen, dieselben zwei, drei Leute, die mich zum Reiten eingeladen haben«, sagte er mit gegrätschtem Mund, »die wussten ja gar nicht, dass ich mit dem NS -Gedankengut gar nichts zu tun hatte, sie kannten auch nicht meine politische Vergangenheit. Ich hab mich natürlich gehütet zu erwähnen, dass die Gestapo meinen Vater eingesperrt hatte. Ich hab mir gedacht, na, das ist nicht schlecht, das ist eine harmlose Geschichte, da ein bissl mitreiten, und man kann in Ruhe fertigstudieren. Ich hab mich weder gemeldet noch sonst irgendwas gemacht, sicher nie einen freiwilligen Antrag an die SA gestellt.«
Wais machte eine Pause, schaute über die Leute drüber in eine Fernsehkamera.
»Ich kann es schwören. Ich hab nie einen Sturmführer der SA gesehen, nur Studenten, die das an der Akademie organisiert haben. Davon war keine Rede, wie ich da gefragt wurde, hat der nicht gesagt, das ist eine SA -Reiterstaffel, er hat nur gesagt, wir bilden eine Reitergruppe, willst du mitmachen?«
»Es gibt hier«, sagte Klingler, »ein Tagebuch des Verfahrens von neunzehnsechsundvierzig. Es stammt aus dem Justizministerium. Dieses Verfahren sollte doch damals feststellen, ob Sie politisch belastet waren. Dieses Tagebuch enthält einen Fragebogen vom zwölften April neunzehnvierzig, der persönlich auszufüllen und mit Eid zu beschwören war. Darin heißt es: NSDAP noch nicht möglich, da beim Militär. SA -Reitersturm fünf Querstrich neunzig, vierzehnter elfter neunzehnachtunddreißig. NS -Studentenbund, erster vierter neunzehnachtunddreißig. Weil Sie nun, Herr Doktor Wais, Gerichtsreferendar werden wollten, mussten Sie doch für den Fragebogen nachweisen, jedenfalls nicht regimefeindlich gewesen zu sein. Sie müssten ihn doch auch selber ausgefüllt haben.«
Wais sah Klingler fassungslos an:
»Wieso? Ich war ja nicht da. Ich war eben eingerückt, damals in Frankreich. Das ist eingetragen worden von Verwandten, mag sein von Freunden, das hats immer wieder gegeben, soviel ich weiß. Ich hab grundsätzlich gesagt: Herrschaften, diesen ganzen Papierkrieg führts ihr, ich bin nicht da. Erledigts das für mich! So erklär ich mir auch diese Eintragung. Und daher«, Wais stellte sich auf die Zehenspitzen, richtete seinen Blick wiederum auf jene Kamera,
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