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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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die in der letzten Reihe postiert war, »finde ich das einfach grotesk, dass man mich jetzt verantwortlich dafür macht, was von irgendwelchen Menschen damals eingetragen wurde, angegeben wurde aufgrund von Statistiken, die von der Akademie stammen, wo ich nichts anderes getan habe, als an Sportveranstaltungen, also Reitveranstaltungen teilzunehmen.«
    Der ORF -Journalist Kleinbauer, der in der ersten Reihe saß, sagte seitlich zu Wais hinauf:
    »Kann man das so formulieren: Sie sind Opfer eines bürokratischen Pallawatschs im NS -Regime geworden?«
    Die Menge prustete los. Novacek erhob sich und sagte scharf:
    »Was gibts da zu lachen?« Und er setzte sich wieder.
    »Es ist lachhaft«, sagte Wais schnell. »Das hats damals wiederholt gegeben, meine Damen und Herren. Sie brauchen doch nur mit meinen Alterskollegen zu sprechen. Ich krieg Tausende Anrufe und Zuschriften jetzt, die sagen: Um Gottes willen, uns ist es ganz genauso gegangen. Das ist damals in diesem etwas merkwürdigen System gang und gäbe gewesen, dass hier Eintragungen erfolgt sind, die nicht gestimmt haben. Und jetzt noch etwas: Glauben Sie denn wirklich, dass ein junger Mann wie ich, von neunzehn Jahren, am ersten April neunzehnachtunddreißig, also bereits vierzehn Tage nach dem Anschluss, hätte Mitglied sein
können bei diesem Studentenverband? Ausgeschlossen! Ich komme aus einer Familie, die verfolgt war. Also diese ganzen Dinge sind an den Haaren herbeigezogen infolge von Eintragungen, die unrichtig sind. Dieser erste April kann nur ein Aprilscherz gewesen sein.« Wais lachte.
    »Sie sagen mit Recht«, fragte Klingler, »dass man eigentlich in solche Vereine schwer aufgenommen wurde, weil es damals einen Beleg für Verlässlichkeit dargestellt hatte, ihnen angehören zu dürfen. Wenn das aber so war, dann ist es verblüffend, dass Sie so einfach als Mitglied geführt wurden, obwohl Sie sich nie als Mitglied beworben haben. Das ist doch ein bisserl ein Widerspruch?«
    »Den Widerspruch erklär ich mir dadurch, dass diese Burschen das alles doch oberflächlich gehandhabt haben. Sie haben nicht einmal in meiner Heimatstadt nachgefragt, denn dann wäre es aus gewesen, und die hätten mich keinen Tag länger akzeptiert.«
    Es entstand eine Pause. Wais trank ein Glas Wasser und wartete auf weitere Fragen.
    Nach einer Stunde war die Pressekonferenz zu Ende. Als Wais und Novacek im Auto saßen, sagte Novacek: »Ist doch glimpflich abgelaufen.«
    Wais war blass im Gesicht. Er sah auf den Straßenverkehr hinaus und murmelte: »Ich weiß nicht, warum die sich so festbeißen. Das sind doch alles Kinkerlitzchen.«
    »Sie wollen eben um jeden Preis die Wahlen gewinnen, das ist alles. Nachher ist Ruhe, glaub mir.«
    »Wann nachher?«
    »Wenn wir die Wahlen gewonnen haben.«
    »Gewinnen wir sie?«
    »Tausendpro«, sagte Novacek laut. »Das sind doch da draußen alles deine Landsleute.«
     
    Johannes Tschonkovits war während der Pressekonferenz hinten in der letzten Reihe gesessen. Wohl hatte ihn Novacek gesehen, und das hatte dessen Magenkrämpfe nicht abgemildert, auch Johann Wais warf immer wieder einen kurzen Blick zu Tschonkovits, einen Blick, der sich am liebsten getarnt hätte. Im Verlauf der Veranstaltung breitete sich eine Heiterkeit im Inneren des Zauberers aus, sodass er Mühe hatte, diese nicht sichtbar werden zu lassen.
    Nachmittags eilte er ins Büro, brachte all das Gehörte und seine Gedanken dazu zu Papier, denn er musste dem Chef nicht nur Bericht erstatten, sondern ihn wegen des Interviews heute Abend für die zweite Nachrichtensendung briefen. Als er bei Marits eintrat, stand der Kanzler beim Fenster und betrachtete die Wolken.
    »Gute Nachrichten«, rief Tschonkovits. »Wais hat sich ziemlich blöd verhalten, sich bloß immer wieder aufs Unglaubwürdigste herausgeredet. Es war ein Fest.«
    »Du strotzt ja vor guter Laune«, sagte Theodor Marits grämlich, ging hinter seinen Schreibtisch, setzte sich und wartete.
    »Das Beste war, dass er geleugnet hat, je beim SA -Reitersturm gewesen zu sein. Ich sag dirs, nicht er war bei der SA , sondern bloß sein Pferd.«
    Marits entkam ungewollt ein Meckerer. »Was heißt: sein Pferd? So ein Unsinn.«
    »Hör zu.« Und Johannes schilderte dem Chef den Verlauf der Pressekonferenz plastisch, nicht ohne hie und da seine Kommentare hinzuzufügen. Wiederum vermehrten sich die Lachfalten im Gesicht des Kanzlers.
    »Glaubst du«, unterbrach er mit einem Mal den Redeschwall von Tschonkovits, »sollte ich

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