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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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sondern immer noch Dolly. Das hab ich aber nicht geschrieben. Das geht sie nix an.
Außerdem, wer weiß, wie viele Israeli hinter ihr täglich her sind, so scharf wie sie ist und aussieht. Der Tschurtschentaler, dem gegenüber ich leider eine Bemerkung fallen hab lassen wegen Dolores und den Männern dort, hat gemeint, in Israel gibts nur schöne Jüdinnen, da fällt die Dolly gar nicht auf.
    In der Zeitung lese ich, die bringen in der Burg den Macbeth heraus. Gehlen und Dauendin, der ein Comeback gibt nach seinem Unfall. Wieso Unfall? Der Fraul spielt auch irgendwen.
    Messerschmidt hat mich grad angerufen. Ob ich nächsten Montag zum Chor kommen kann und mit dem Chorleiter sprechen. Und was vorsingen. Ich weiß nicht. Soll ich ihnen »In the Ghetto« vorbrummen und aus der »Winterreise«? Lieber nicht »Winterreise«, dann vergleichen die mich mit Vati. Elvis, why not?
    Schick ich den Brief ab?
    39.
    Herbert Krieglach rief den Bürgermeister an. Purr hatte sich beim Frühstück ausführlich mit seiner Frau gestritten, weil sie dieses und jenes gesagt hatte, was er am Morgen noch nicht vertrug. Er fuhr sie barsch an, sie verließ gekränkt den Frühstückstisch. Da der Bürgermeister seine Friedl sehr liebte, betrat er das Rathaus missgestimmt und mit schlechtem Gewissen. In seinem Zimmer starrte er aufs Telefon, überlegte, ob er Friedl anrufen sollte, um ihr einige Freundlichkeiten zu sagen und eine Liebeserklärung dazu, als es klingelte.
    »Gut, durchstellen«, sagte er in den Hörer. »Servus, Herbert, was gibts?«
    Herbert Krieglach war letzte Nacht lang wach gelegen. Mehrmals hatte er Emmy geweckt, weil er, auf dem Rücken liegend, im Selbstgespräch laut geworden war.
    »Ruf doch den Schorsch an«, sagte sie zornig, als sie um vier Uhr morgens wieder aus dem Schlaf gerissen wurde.
    »Was es gibt? Wann sprichst du endlich das Machtwort? Merkst du nicht, dass sich die Arschlöcher von Wien zusammentun, um mein Denkmal nicht nur vom Albertinaplatz wegzukriegen, mehr und mehr wollen sie es überhaupt verhindern. Wegen der Sache schlaf ich nicht mehr, das geht so nicht. Auf was wartest du denn noch?«
    »Was ist denn, Herbert? Neunzehnachtundachtzig weihen wir es am Albertinaplatz ein. Das steht fest. Ich krieg das schon durch. Zerbrich dir nicht meinen Kopf.«
    »Ich zerbrech mir meinen eigenen. Ich muss verlangen, dass du dich öffentlich festlegst.«
    »Na prima, Herbertl! Verlang ich etwa von dir, es endlich fertigzustellen?«
    »Wenn es im Herbst achtundachtzig eingeweiht wird, dann ist es fertig. Das braucht dich nicht zu interessieren.«
    Krieglach winkte der mürrisch durchs Zimmer schlürfenden Emmy zu, machte ihr ein Zeichen. Sie verschwand in die Küche, goss Filterkaffee in sein Häferl, fügte einen kleinen Schuss Wodka hinzu und stellte es ihm aufs Telefontischerl. Krieglach lauschte mit eingezogenem Gesicht den wortreichen Ausführungen des Bürgermeisters, nickte Emmy zu, nahm einen Schluck vom Kaffee.
    »Nun ist der richtige Zeitpunkt«, unterbrach er plötzlich den Redefluss, und sein Gesicht begann sich zu röten. »Die Schwarzen haben jetzt ihren Wais durchgebracht, und ihr Triumphgeheul kann keiner überhören, ein Dreck. Jetzt musst du die Ankündigung entgegensetzen, dass wir drin
gender denn je das Denkmal gegen Krieg und Faschismus brauchen.«
    »Na schön«, sagte Purr. »Ich sags der Ebner –«
    »Nix Ebner«, schrie Krieglach. »Das musst du schon selber machen.«
    »Weißt du, was ich muss«, schrie Purr zurück, »nix muss ich müssen, nix.« Krieglach deutete mit mehrmals drauffahrenden Bewegungen seines Zeigefingers auf sein Kaffeehäferl. Emmy brachte die Wodkaflasche.
    »Du knickst ein, Schorschi, das spür ich im Urin. Du knickst ein vorm Chef der Stunde, du knickst ein vor seinem Kettenhund Moldaschl. Diese Revolverjournalisten haben wohl schon die Macht?«
    Es entstand eine Pause. An beiden Enden der Telefonleitung hielten sie die Hörer fest am jeweiligen Ohr und atmeten heftig.
    »Wo du recht hast, hast du recht«, sagte Purr langsam. »Mit der Ankündigung kommen wir aus der Defensive heraus.«
    »Und wie!«
    »Ich werde tun, was ich kann. Aber der Bürgermeister bin immer noch ich, Herbert!«
    »Unser Glücksfall. Nur du selbst kannst jetzt in die Fanfare blasen. Dazu mein Hammerschlag. Allons enfants und so fort.«
    »Ich red mit der Ebner. Warte. Und ich mach es selbst.« Purr legte auf und rief seine Frau an.
     
    Schönn wanderte über weiche Almwiesen, eine

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