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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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ansetzen. Wir sehen dann, ob da was dran ist. Bleib sachte, Toni.«
    »Ich danke. Das ständige Bangen ist demütigend. Und meine Frau hat es satt.«
    »Und wie ich es satt habe«, sagte die und stellte Kaffee und Schnaps auf den Tisch, holte eine Mappe, schlug sie auf, blätterte die Zeitungsartikel darin durch, las den beiden Männern die Schlagzeilen vor, die sich abwechselnd mit Wais und mit dem freigesprochenen Schädelknacker befassten. 
    »Wir fühlen uns nicht sicher«, sagte sie, sah ihren Toni an und fuhr ihm durchs volle Haar. »Gelt, nicht einmal unsere Lieblingsplätze können wir aufsuchen. Rax, Schneeberg …«
    »Ausgerechnet auf die Rax wollt ihr wieder klettern«, sagte Mauss und lachte. »Obschon, dort könntet ihr einem weiteren Exkazetler zu einem Herzkasperl verhelfen, wenn der dort urplötzlich deiner ansichtig wird. Der gute alte Ressel.«
    »Sie lachen, Herr Mauss«, sagte Maria Hausmann mit scharfer Stimme. »Ich finde das abwegig.« Sie stand auf und ging aus dem Zimmer.
    Egger zuckte mit den Achseln. »Du siehst, die Nerven werden nicht besser mit den Jahren. Wir wollen nicht mehr lang warten.«
    »Drüben ist alles bereit«, sagte Mauss. »No problemas. Erich ist verständigt. Er ist jetzt in Bariloche der große Germane, leitet die Deutsche Schule, ist per Du mit der Generalität. Da greift keine Ostküste hin.«
    »Ich weiß«, sagte Egger. »Maria will aber dort nicht wieder in die Bewegung. Sie will ihre Ruhe.«
    »Und du?«
    »Ists undankbar? Ehrlos? Wie lang lebe ich noch? Ein bissl in die Schwammerln gehen und aufs Herz achten.«
    »Das kannst du ohnehin. Vielleicht lässt du dich gelegentlich bei einer Zusammenkunft blicken. Wir sind alle müde, wir haben, denke ich, ordentlich und langwährend unsere Pflicht erfüllt.«
    Ein Schlappschwanz, dachte Mauss, während er das Schnaps
gläschen hob und Egger zuprostete. Ein Jämmerling. Für so einen verschwenden wir unsere Zeit.
    »Einmal«, sagte Egger und sah zur Tür, »gehe ich noch auf die Rax. Sags nicht meiner Frau, obwohl ich gern mit ihr nochmals den Karlsgraben gemacht hätte und das Plateau.« Und er prostete Gerhart Mauss zurück.
    Maria betrat wieder das Wohnzimmer. Sie entschuldigte sich wortreich bei Mauss. Sie bat ihn, noch etwas zu bleiben, bot ihm einen Gugelhupf an, frisch von der Aida. Mauss lehnte ab, bedankte sich und stand auf.
    »Mein Sohn und die anderen erwarten mich noch im Westbahn.«
    »Aha. Westbahn. Noch immer?«, fragte Egger leise. Mauss nickte.
    »Danke für den Kuchen, Frau Hausmann. Süß ist nichts für mich.«
    »Noch ein Schnapsl?«
    »Da sage ich nicht nein.«
    Er blieb noch eine Stunde. Am Ende sangen sie zu dritt einige Lieder.
     
    Als Edmund Fraul die vier Stockwerke hinaufstieg, wurden ihm die Beine schwer. Tief atmend läutete er an, eine Frau öffnete und führte ihn ins Zimmer. Brauneis saß mit dem Rücken zu ihm im Rollstuhl und sah durch eine gläserne Balkontür auf die Bäume, die im Inneren des Reumannhofes die Grünanlage umstanden. Edmund ging auf Brauneis zu, stellte sich neben ihn, bückte sich etwas und reichte ihm die Hand.
    »Es wird immer anatolischer dahier«, sagte Brauneis und wies auf sich gegenseitig wild jagende Kinder im Hof. »Früher sind die Bankerln besetzt gewesen von uns, jetzt sitzen nur mehr die Türken drauf.«
    Er drehte sich mit dem Rollstuhl um neunzig Grad, fuhr zum Tisch. »Nimm Platz, Edi. Hast viel zu tun?«
    »Es geht.«
    Die Frau brachte unverlangt einen Doppler Weißwein und zwei winzige Gläser. Brauneis packte die Flasche, stellte sie sich zwischen die Schenkel und drehte kraftvoll den Korken heraus. »Bringen Sie andere Gläser«, sagte er zu der Frau. »Um die da muss man ja ein Schnürl binden, dass man sie nicht mitverschluckt.« Die Frau sagte nichts, räumte die Gläser weg, brachte andere, zog sich den Mantel an. »Bis morgen«, sagte sie. Brauneis antwortete nicht.
    »Immer dasselbe«, sagte er, nachdem sie gegangen war, prostete Fraul zu und kippte den Weißwein in sich hinein. Mit einem Seufzer, den er beim Ausströmen erschrocken unterbrach, nahm Fraul sein Glas.
    »Es geht euch allen auf die Nerven, mich zu besuchen, ich weiß das eh. Trotzdem danke, dass du kommst. Was gibt es Neues?«
    Fraul begann ihm von seiner Bergwanderung zu erzählen und wie er in den Schneesturm geraten war. Er bemerkte, dass Brauneis ihm bloß das Gesicht hinhielt. Er nahm Frauls Worte wohl auf, doch er lauschte hiebei nach Worten hinter den Worten, nach

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