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Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
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schauen, wenn sie mich akzeptieren, wenn Bela Nürnberger mich auswählt. Dann bin ich der mit den Allüren, dein Allürensteff.
     
    29. 5. 1988
    Höppner wird auch beim Vorsingen dabei sein, und Kammerlander. Ich bin fast der Einzige, vor mir ist bloß noch eine Südkoreanerin. Wuik-wuik.
     
    Anton Egger nahm den Rucksack, küsste seine Frau und ging hinunter zum Wagen. Er stieg in seinen Ford und fuhr den Gürtel entlang, über den Matzleinsdorfer Platz auf die Inzersdorfer Straße, vorbei an der Spinnerin am Kreuz, der er zuwinkte.
    Er fuhr als Max Josef Hausmann nach Süden, bog bei Gloggnitz ab und hinein ins Schwarzatal. Er wollte sich zwar von seiner Rax verabschieden, bevor es jetzt in die Pampa ging, doch rüber zum Preiner Gscheid mochte er nicht. Der Wirt vom Waxriegelhaus hatte ihn verzunden, sodass er verhaftet wurde und den Prozess an den Hals bekam. Obwohl freigesprochen und zweimal mit neuem
Namen versehen, wurde ihm jetzt der Boden doch zu heiß. Mit dem neuen Bundespräsidenten sind scheints, dachte Egger, die Nazijäger neu zum Handeln erwacht, voran der hässliche Oberjud Lebensart. Das soll der Rechtsstaat sein, der mich trotz Freispruchs zum Freiwild macht? Er wusste allerdings, wie nahe dran Lebensart nachforschenderweise dem Zeitabschnitt war, wo er als Untersturmführer im März und April fünfundvierzig mauthausenmäßig vielleicht doch etwas zu eifrig, zu pflichtbewusst war. Etwaige russische Zeugen waren später im Kalten Krieg noch nicht so gefährlich, aber jetzt, wo alle im Westen das Feuermal von diesem Gorbatschow verehren, könnte den damaligen Überlebenden doch geglaubt werden, obwohl die natürlich übertreiben würden, wie das ganze Zeugengesindel immer schon maßlos übertrieben hatte. Mit diesen Gedanken kam er in Hirschwang an, fuhr den Ford auf den Parkplatz, kaufte sich sein Ticket und wartete auf die Seilbahn. Er wollte zum Ottohaus, von dort durch das Törl wieder hinab. Von der Bergstation wanderte er federnden Schrittes hinüber, sah des Öfteren zum seehundartigen Schneeberg hinüber. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab und umkreisten Bariloche im Westen von Argentinien, wohin er und Maria nunmehr endgültig auswandern würden. Mauss hatte alles vorbereitet, es konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Es soll auch dort ausreichend Pilze geben, einige würde er wohl zum ersten Mal finden, weil sie in Europa selten sind. Vielleicht den Kaiserling, dachte er. Amanita caesarea. Dem war er im Burgenland auf der Spur, angeblich hätte man ihn im Rosaliengebirge gefunden. Er wollte sogar nach Italien, wo die Chance größer war, ihn zu erspähen. Es hatte sich nicht ergeben. Mauss versicherte ihm, dass sich Erich angemessen um ihn und Maria kümmern werde. Hoffentlich ohne Ge
genleistung. Er sah das Ottohaus vor sich, zog seine Gedanken von Argentinien ab, versuchte sich auf die letzte Stunde, die er noch auf der Rax weilen würde, zu konzentrieren. Im Ottohaus speiste er, machte sich hernach auf, abzusteigen, begann in seiner tänzerischen, wiegenden Weise durchs Törl hinabzugehen. Die Maisonne beschien seinen Nacken kräftig. Er nahm den Hut vom Kopf und verstaute ihn im Rucksack, band sich den Anorak um die Hüften und krempelte die Ärmel seines grünkarierten Hemdes auf. Nun waren Hügel links und rechts und verbargen den Schneeberg. Den würde er erst wieder auf der Heimfahrt sehen können. Anton Egger sprang von einer Felsrippe ins Moos und wieder auf angeschatteten Kalk, erreichte den serpentinenreichen Hohlweg, sah auf die Uhr. Dabei stürzte er über eine Wurzel neben einem Baumstumpf, der mit Stockschwämmchen bewachsen war. Beim Fallen machte er eine Linksdrehung, sodass er oberhalb der Schulter wuchtig mit dem Schädel auf eine nach oben sich verjüngende Felsnase schlug.
    Das Ehepaar, das er zehn Minuten zuvor leichtfüßig überholt hatte, fand ihn im Moos liegend. Sie wollten ihm helfen, doch es war zu spät.
     
    Stefan Keyntz saß herum und wartete, bis die Südkoreanerin mit dem Vorsingen fertig war. Er fühlte sich sehr gut, war nicht nervös und dachte sich, soll es kommen, wie es kommt. Als er die Bühne betrat, saßen einige Leute um den Direktor herum, etwas abgesetzt Pius Höppner, neben Nürnberger Kammerlander mit einer Mappe auf dem Schoß. Stefan ging zum Klavier, drückte dem Pianisten die Hand, legte die Noten ab, trat an die Rampe.
    »Da bin ich«, sagte er, »ich bin der Sohn und singe wie gewünscht.«
    »Was heißt wie

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