Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalte

Der Kalte

Titel: Der Kalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Schindel
Vom Netzwerk:
Gute zum Geburtstag, Bruder«, sagte Agnes mit freundlicher Stimme.
    »Danke dir«, antwortete Rosinger und legte auf. Er schloss das Fenster und ließ sich auf der Couch nieder, sah auf den Plafond, bis ihn sein Schnarchgeräusch weckte. Er wusch sich sein Gesicht, packte sich in den Mantel und ging ins Hörndl.
    4.
    Herbert Krieglach lag auf dem Rücken, als er mitten in der Nacht nach tiefem Schlaf durch klopfende Geräusche an die Schlummeroberseite gelangte. Seine Augendeckel begannen im Widerspiel mit den Außengeräuschen auf- und zuzuklappen, die Bilderflut des Resttraumes riss ab und versank sofort ins Vergessen. Er öffnete mit einem Mal die Augen und blickte in Richtung Plafond seines stockdunklen Schlafzimmers. Neben ihm schnorchelte seine Frau, weil sie ihr Gesicht, auf dem Bauch liegend, fest in den Kopfpolster eingedrückt hatte, sodass ihr die Luft einmal aus dem linken, einmal aus dem rechten Nasenloch herausfuhr oder sich stoßartig aus dem Rachen ihren Weg bahnte. Krieglach fuhr der Schlafenden mit der linken Hand auf die Schulter und rüttelte.
    »Was klopft denn da wie verrückt?«, bellte er zu ihr hin. Emmy stemmte sich mit den Armen hoch, sie war, wie im
mer, sofort hellwach, drehte sich auf die Seite und horchte.
    »Kommt von darüber.«
    »Das hör ich auch. Ist der Arsch komplett verblödet? Was hat der zu hämmern um halb vier in der Früh!«
    In diesem Moment wurde es still. Die beiden lauschten eine Weile. Krieglach beschied seine Frau weiterzuschlafen, stieg aus dem Bett, holte sich aus der Küche ein Glas Wasser. Er öffnete das Fenster und schaute auf den Flakturm, besah sich darüber einige Sterne. Im Inneren dieser Spätwinternacht vermeinte Krieglach bereits eine Lauheit zu verspüren. Er beugte sich hinaus, spähte nach oben, konnte aber keinen Lichtschein erkennen.
    »Komm ins Bett«, sagte Emmy.
    »Ja, ja.« Er verließ das Schlafzimmer, schmierte sich in der Küche ein Butterbrot, holte aus dem Eiskasten eine Flasche Bier und setzte sich an den Küchentisch. Emmy erschien in der Tür.
    »Soll ich dir was Ordentliches machen?«
    »Schlaf weiter.«
    Kaum war sie fort, goss er etwas ins Bier, trank aus, schmiss das Buttermesser in die Abwasch, wischte die Brösel mit der Hand vom Tisch und betrat wieder das Schlafzimmer, setzte sich in den Ohrensessel und verharrte. Als Emmy wieder zu gurgeln anhob, stieg er seufzend ins Bett zurück, legte sich auf den Rücken und schaute zum Plafond.
    Dass mich so eine Klopferei immer so aufregt, dachte Krieglach. Mein ganzes Leben verbring ich mit Hämmern und Klopfen. Na ja, das eigene Furzen stört einen ja auch nicht. Um fünf in der Früh haben sie geklopft, neunzehnachtunddreißig, und Vater mitgenommen. Dann haben sie ihn auf der Liesl gehaut wie einen Tanzbären, so hatte er sich später ausgedrückt. Ich hab noch nie wen gesehen, der einen Tanz
bären gehaut hat. Im Zirkus hab ich mir immer die Tanzbären angeschaut. Nie hat die einer gehaut. Deswegen hab ich wahrscheinlich in meiner Deutschen Fasnacht rechts unten ein Rudel Tanzbären gestaltet, die von Uniformierten mit Gummiknüppeln durchgeprügelt werden. Das Bild hängt in Düsseldorf, ja Düsseldorf, ich sollt wieder nach Düsseldorf gehen und mir von dort die Eiertänze rund um mein Denkmal anschauen, statt mich mit der Ebner und dem Purr rumzuärgern. Wann muss ich morgen – was morgen: heute – beim Teiler sein? Um elf? Da stellt mir der Helfried die Emigrantin aus New York vor, wie heißt sie, Lotte Mendelssohn, welche ihren Wien-1938-Zyklus am Abend präsentiert, und ich kanns mir bereits im Voraus anschauen, muss es sogar, weil ich renn doch nicht am Abend zur Vernissage und treff dort die Ebner, den Purr, den Katzenbeißer und ein Dutzend vertrottelter Malerkollegen.
    »Wann sind wir beim Teiler?«
    Emmy wachte auf. »Um elf.«
    »Aha.«
    Es war ja auch März vor achtundvierzig Jahren, dachte Krieglach. Gepumpert hatten sie, nicht geklopft, die Tür halb eingetreten haben sie. Mutter war rausgekommen, wir hinter ihr. Der Vater war schon in seine Hosen gefahren, war gleich abholbereit. Die Scheißkerle in den Ledermänteln sehr höflich, später haben sie ihn im Polizeihäfen geschnalzt. In Dachau haben sie ihn malträtiert, aber dort hat er unter den SS -Wächtern zwei alte Sozis aus Floridsdorf getroffen. Mit einem ist er schon in Wöllersdorf gesessen gewesen, der hat wahrscheinlich ein Wörterl zu seinen Gunsten bei der Lagerführung oder wo eingelegt, jedenfalls

Weitere Kostenlose Bücher