Der Kalte
Roman in petto, um ihn, weil der Verlag Kohle mit mir machen will, denen mir nichts, dir nichts auf den Schreibtisch zu schmeißen.«
»Ich hab doch nicht –«
»Ich bin Lyriker«, brüllte Hirschfeld und lief rot an, »als solcher drücke ich der Welt ihren eigenen Stempel auf, verdammte Scheiße.«
»Gut, gut«, sagte Emanuel Katz, »aber vielleicht hast du das Talent und den Atem für einen Roman auch intus. Ich glaub das.«
»Selbst wenn ichs intus und in petto hab«, sagte Hirschfeld mit ruhiger Stimme, »dann ist das meine Angelegenheit.« Er lachte los. Die drei stimmten ein. Hernach setzte sich Hirschfeld mit Katz nach hinten an einen Nischentisch, Judith und Roman verabschiedeten sich.
Nachdem Tschonkovits die Neuigkeiten von Apolloner erfahren hatte, warf er den Telefonhörer mit Schwung so auf die Gabel, dass der ganze Apparat vom Schreibtisch zu Boden fiel, den Aktenstapel mitnahm. Tschonkovits besah sich das Malheur und ging um den Schreibtisch herum, barg das Telefon und versetzte hernach den Akten einige Fußtritte, zog sich das Sakko an und marschierte, ohne anzuklopfen, ins Zimmer des Bundeskanzlers. Der stand beim Fenster
und blickte der Abenddämmerung entgegen, drehte sich um, als Tschonkovits hereinkam.
»Wir haben ihn, Theo.«
Und er wies den Bundeskanzler in seinen Sessel, als wäre er der Hausherr. Theodor Marits setzte sich. Johannes näherte sich im Verlauf seines Berichts dem Schreibtisch des Chefs, um sich schließlich auf einem papierfreien Plätzchen niederzulassen. Er beendete seinen Bericht und schaute den Bundeskanzler über die Schulter an.
»Na?«, fragte er und stand auf, stellte sich dem Chef gegenüber auf und lächelte.
Marits hatte ihm anfangs mit seinem seit Tagen in seinem Gesicht auf Dauer gestellten säuerlichen Ausdruck zugehört. Mit den Minuten hatten sich die Gesichtszüge neu formiert, die Muskeln begannen in des Kanzlers Antlitz zu arbeiten. Tschonkovits fügte in seinem Bericht noch Verzierungen ein, die dem Kanzler Lachfalten in die Wangenpolsterung schnitten, und schließlich begannen beide zu lachen, lachten sich gegenseitig an, lachten abwechselnd und gleichzeitig, sodass Reginchen im Vorzimmer den Kopf hob und selbst zu lächeln begann. Der Kanzler sprang auf, eilte auf Johannes zu und klopfte ihm einmal auf den rechten, dann auf den linken Oberarm. Beide versanken hernach in den Fauteuils, die im rechten Winkel angeordnet am gläsernen Gästetisch standen.
»Strategisch?«, fragte der Kanzler.
»Nach und nach, Theo. Montag kommt der große Artikel vom Klingler. Wir wissen von nichts, sind sehr indigniert. Ich rufe in deinem Auftrag den Beran an, ob er von der SA -Herrlichkeit seines Kandidaten was gewusst hat.«
»Ich nehme mir den Vizekanzler vor.«
»Den Strahammer kriegst du auf so klein. Der ist eh von der Rolle wegen seiner jüngsten Lachnummer.«
»Welche meinst du?«
»Weißt du es noch nicht? Der hatte gestern die großartige Idee, mit der saudi-arabischen Delegation zum Heurigen zu fahren.«
»Im Ernst?«
Also saßen sie und lachten weiter. Johannes stand auf, denn es hielt ihn nicht, ging herum und sprach weiter:
»Wie ich den Novacek einschätze, gibts noch am Montag eine Pressekonferenz. Der Wais muss sofort in die Presse. Wir bereiten einstweilen vor, wer wohl die Stammkarte versteckt hat. Heute noch Telex an Johnny Walker.«
»Du meinst an Maxmann vom jüdischen Weltkongress?«
»Der macht doch in Whisky. Also an den.«
Marits hob die Hände und zeigte Tschonkovits seine Handflächen.
»Stopp, Zauberer, stopp. Die lass draußen.«
Johannes blieb stehen und schaute auf den Kanzler hinunter.
»Kein Weltkongress«, sagte dieser. »Hast du gehört?«
»Du glaubst, das geht nach hinten los?«
»Kennst du Österreich?«
»Aber wir könnten ihm besser einheizen. In die Zange nehmen. Du wolltest doch selbst die etwaige braune Vergangenheit –«
»Nichts da. Dem Vizekanzler rennen seine alten Nazis sofort die Tür ein. Uns wird man vorwerfen, wir holen die Ostküste in die Innenpolitik. Untersteh dich. Versprich mir –«
»Du hast ja recht, Bundeskanzler. Reginchen, Kaffee!« Tschonkovits setzte sich wieder. »Außerdem, die drüben lesen ja auch Zeitung.«
»Das ist nicht unsere Sache. Keine Tricks, Johannes.«
»Versprochen.«
Nachdem der Kaffee gekommen war, verbaten sich die beiden jedwede Störung und besprachen sich ausführlich und aufs Heiterste. Am Ende nahmen sie je einen Cognac und verließen das
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