Der Kampf beginnt
Bluse hätte der Belastung niemals standgehalten und statt Jeans trug sie eine bequeme Stoffhose. Doch sie war hier, und das allein besserte Rauls Laune schon. Er hatte sie heute Morgen angerufen und gebeten, ihm bei den Arbeiten Gesellschaft zu leisten. Diesmal hatte ihr Streit schärfere Töne angenommen, und zum Schluss hatte sie das Gespräch einfach abgebrochen.
»Ich dachte, du hättest was Richtiges zu tun?«, fragte er. Nicht gehässig, aber auch nicht ganz ohne Schärfe.
Jessica zuckte die Achseln und schaute bei der Erinnerung an ihre Worte aus dem letzten Gespräch immerhin etwas verlegen. »Ich dachte, mir hätte jemand erzählt, das hier sei richtige Arbeit.« Sie klang entschuldigend. Dann beugte sie sich vor und gab Raul einen Kuss auf die verschwitzte Wange. »Ich habe mich zu spät umentschlossen, um noch ernsthaft helfen zu können, also habe ich ein kräftiges Essen gemacht und mitgebracht. Es ist reichlich da.« Sie schaute sich um und zählte die Freiwilligen. »Na ja, vielleicht doch nicht.«
Raul nahm die Tasche und stellte sie beiseite. »Danke.« Er war froh, dass sie gekommen war. Eine Vidphonverbindung reichte einfach nicht, um den Trennungsschmerz zu lindern. Ihr Timing ließ allerdings zu wünschen übrig. Er zog einen Lappen aus der Tasche und wischte sich das Gesicht ab. »Aber ich wünschte, du wärst eher gekommen.« Er deutete mit einer kurzen Kopfbewegung zu einem wartenden Kleinbus. »Ich werde jeden Moment abgelöst.«
»So früh?« Jessica runzelte die Stirn. »Hast du wenigstens etwas gegessen?«
Raul schaute schuldbewusst auf die Kühltasche. »Ich habe heute Nachmittag eine Besprechung, bei der es etwas zu essen gibt. Ich werde das essen. Ehrlich.« Er klang sogar schuldbewusst, obwohl er dafür eigentlich keinen Grund sah.
Sie nickte skeptisch. Vermutlich erinnerte sie sich an die letzte Gelegenheit, als sie mit dem Angebot eines Abendessens zu ihm gekommen war und ein angebissenes Teilchen vorgefunden hatte. »Passt du auf dich auf?«, fragte sie plötzlich.
Das war nun wirklich keine einfache Frage. »So gut ich kann, Jess.«
Eine andere Antwort fiel ihm nicht ein, erst recht nicht nach ihrem Streit am Vidphon. Seine Verlobte machte sich Sorgen um ihn. Das hier war nicht das Leben, das Jessica vorschwebte. Er sah seine Ablösung kommen, fasste Jessica am Arm und zog sie beiseite.
»Pass auf, ich weiß, das ist schwer für dich. Ich habe vor Jahren eine Ausbildung dafür absolviert, und selbst für mich ist es schwer.« Raul hatte versucht, ihr von seinen Gedanken auf dem Schlachtfeld an jenem ersten Tag der Kämpfe zu erzählen. Doch es war, als sprächen sie verschiedene Sprachen. »Es ist Hilfe unterwegs, Jess. Ein Fahrender Ritter kommt von Ronel, um die Lage abzuschätzen und nötige Unterstützung anzufordern. Das ist der Vorteil, wenn man über eine funktionierende HPG-Station verfügt.«
Jessica nickte beiläufig. »Ein Ritter. Das ist fantastisch.« Sie klang ganz und gar nicht begeistert, auch wenn sie sich Mühe gab zu lächeln. »Dann wird das ja vielleicht bald alles vorbei sein und du kommst heim.«
»Ich hoffe es.« Raul verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Der Busfahrer hupte, als Warnung, dass er gleich abfahren würde. Raul winkte seine Ablösung kurz beiseite, dann umarmte er seine Verlobte. »Es tut mir wirklich Leid, aber ich ...«
»Muss weg«, beendete sie den Satz für ihn. »Die Pflicht ruft.« Sie blickte sich um. »Falls du noch mal einen freien Tag hier verbringst, oder sonst wo, lass es mich wissen. Ich werde da sein.« Sie stieß einen lang gezogenen Seufzer aus. »Oder ich komme hinaus zur Basis, um dich zu besuchen. Falls man mich lässt.«
»Das werden sie«, versprach er mit großer Erleichterung. »Ruf nur vorher an und vergewissere dich, dass ich da bin. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.« Jessica schüttelte den Kopf. »Auch wenn ich mich manchmal ernsthaft frage, warum.«
Raul grinste, als sie zusammenzuckte und sich darüber klar wurde, welche Antwort sie jetzt unvermeidlich zu erwarten hatte. »Weil du über natürliche Weisheit verfügst«, neckte er sie. Der Bus hupte erneut. »Das gilt mir!« Er sprang hastig zu seiner Ablösung, erklärte dem Mann knapp, was er schon erledigt hatte, dann rannte er zum Bus. Er saß bereits angeschnallt im Fahrzeug und kam wieder zu Atem, bevor ihm klar wurde, dass er sich nicht einmal zu Jessica umgedreht oder gewinkt hatte.
Jessica Searcy schaute ihrem
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