Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
zu Toram und Nespur ließen sich die beiden fremdartigen Gestalten am Feuer nieder. Die eine starrte reglos vor sich hin, die andere aß ohne ein Geräusch zu verursachen. »Fast schon zu schade, die Halben auszurotten«, sagte sie schließlich.
»Doch das wogende Meer aus Gras in der Gräsernen Furt eignet sich einfach zu gut für unser Vorhaben, in die Nordlande überzusetzen«, antwortete die andere mit dem Namen Esradal. »Das Gebiet dort ist flach und ragt weit in die Meeresenge von Dovan hinein.«
»Wenn unsere Streiterinnen hier einfallen, werde ich mir einen als Sklaven nehmen«, hörte Toram Moydana sagen. »Er soll mir dann mein Mahl zubereiten und so lange leben, wie es mir gefällt.«
Esradal schnaubte abfällig. »Es wird wenig Zeit bleiben für Vergnügungen dieser Art. Zervana dürstet es nach Krieg und Eroberungen. Die Menschen aus Arbor und die Elfen aus Eren-Danan vertrieben zu haben ist ihr nicht genug.«
»Nun, unsere neue Herrscherin ist eben nicht nur strebsam, sondern beweist auch Weitsicht«, erwiderte Moydana.
»Wie meinst du das?«
Toram sah, wie Moydana den Kopf Esradal zuwandte und genüsslich kaute. Kurz offenbarte der Schein des Feuers ein sehr feines Gesicht von unsagbarer Schönheit, doch dann meinte Toram eine unvergleichliche Bösartigkeit in den dunklen Augen aufblitzen zu sehen. In diesem Moment drehte Moydana ihren Kopf schon wieder dem Feuer zu. »Zervana hat die Südlande erobert, doch viele der Menschen und Elfen sind über die Meeresenge von Dovan in die Nordlande geflohen.«
»Das ist mir nicht entgangen«, zischte Esradal.
»Gut, denn dann weißt du auch, dass dort Zwerge und, schlimmer noch, die Nordelfen leben.«
Esradal deutete ein Nicken an. »Sprich weiter.«
»Während die Elfen von Eren-Danan meist Gelehrte und Heiler sind und in der Kriegskunst wenig bewandert, sind ihre Verwandten aus dem Norden ein kriegerisches Volk, so sagt man. Zervana fürchtet, die Geflohenen könnten mit einer Armee aus Eren-Umdil zurückkehren, vielleicht sogar mit einem Heer tobender, hässlicher Zwerge aus Grimbor.«
»In der Tat«, stimmte Esradal zu, »eine Gefahr, die sie nicht unterschätzen sollte.«
»Und genau aus diesem Grund wird Zervana vorher zuschlagen und in den Nordlanden einfallen, um auch diese Länder zu unterwerfen. Doch dazu muss sie unsere Streiterinnen über die Enge von Dovan bringen …« Moydana breitete die langen Arme aus. »Und welcher Ort würde sich besser eignen, um unser Heer zu stationieren und Schiffe zu bauen, als die Gräserne Furt? Zervana wird erfreut sein, wenn wir ihr von dieser Stelle berichten. Wenn nebenbei das Volk der Halben ausgerottet wird, ist das für sie nicht von Belang.«
Toram glaubte nicht, was er da hörte. Er konnte fühlen, wie ihm seltsam kalt wurde, und als er in Nespurs Gesicht blickte, sah er auch dort Ungläubigkeit. In der Tat konnte er sich nicht daran erinnern, den Fährtenleser jemals so entsetzt gesehen zu haben.
»Wenn sie nur auf die widerwärtigen Ghule verzichten würde«, drangen erneut Worte an Torams Ohr. »Ich wage noch immer zu hoffen, das Bündnis mit den Totenessern ist nur ein Gerücht«, meinte Esradal, und ihre Stimme verwob sich fast mit dem Knistern der Flammen. »Wir sind Erinyen, wir sind stark, unsere Armee zählt beinahe zwanzigtausend und wir brauchen sie nicht. Außerdem verlieren wir durch die Verhandlungen wertvolle Zeit.«
»Ich habe mit Yorak gesprochen, vor vielen Tagen bereits«, entgegnete Moydana. »Es hat lange gedauert, unser Volk wieder erstarken zu lassen. Wie Yorak mir erzählt hat, will Zervana unbedingt vermeiden, dass wir bei einer großen Schlacht in den Nordlanden wieder aufgerieben werden.«
»Und aus diesem Grund braucht sie die Ghule«, schloss Esradal.
»So ist es. Ein weiterer höchst raffinierter Zug, mit dem sie Weitsicht und wahre Größe beweist wie noch keine Herrscherin vor ihr.«
Eine Fledermaus, die bereits seit einer Weile über den Köpfen der Erinyen kreiste, stieß plötzlich herab, offenbar um einen Falter zu fangen, bevor dieser in den Flammen verbrannte. Doch in einer fließenden Bewegung erhob sich Moydana, ihr Umhang wallte durch die Luft, und sie fing das unglückselige Geschöpf der Nacht. Kurz loderte die Fackel auf, ein Piepsen ertönte, dann ein Zischen – und ein Häufchen Asche rieselte zu Boden.
Toram schluckte schwer, seine Hände waren feucht geworden. Er legte Nespur eine Hand auf den Rücken und brachte seinen Mund ganz dicht an
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