Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
darüber nachdenken.«
Zervana lehnte sich zurück, sorgsam darum bemüht, keine Gefühlsregung durch ihre Mimik auszudrücken. »Gut, denkt darüber nach. Aber wartet nicht zu lange, denn sonst ziehen wir ohne Euch los und behalten die Nordlande für uns – mitsamt der Beute.«
»Wieder eine Drohung, Zervana, Usurpatorin der Südlande.« Zervana glaubte, einen Hauch Spott herauszuhören; ein flüchtiges, kaltes Lächeln huschte über das Gesicht des Ghuls. »Aber gut, ihr sollt Eure Entscheidung zur Mitte der dritten Nacht haben. Ihr sollt wissen, ob wir an Eurer Seite kämpfen werden, und, wohl gemerkt«, Hanafehl richtete sich zu seiner vollen Größe auf, »ich meine, an Eurer Seite , nicht in vorderster Linie.«
Ein interessanter Gegenspieler, dachte Zervana.
»So soll es sein«, entgegnete sie laut.
Hanafehl nickte knapp. »Heflym, Görm!«, rief er darauf seinen beiden Begleitern zu. »An meine Seite.«
Sofort traten die Ghule vor, stellten sich links und rechts ihres Herrn auf, der den Blick noch immer auf Zervana gerichtet hatte. Urplötzlich und mit einer unglaublichen Schnelligkeit streckte Hanafehl seine Arme aus, und die gewaltigen Hände schlossen sich um die Hälse seiner Wachen. Zervana sah, wie sich die Muskeln und dicken Sehnen des Ghuls anspannten, unzählige Adern traten hervor, dann folgte ein knackendes Geräusch. Die Köpfe der bedauernswerten Ghule sackten zur Seite, und erst als Hanafehl seinen eisernen Griff löste, fielen die erschlafften Körper zu Boden. Er blickte nach links, und seine Augen verengten sich, als er Yorak anschaute. »Manchmal ist es besser, alleine zu reisen. Sie waren ohnehin zu langsam.«
Damit wandte er sich um, nicht ohne zu Zervanas Überraschung eine leichte Verbeugung in ihre Richtung anzudeuten, und verließ den Thronsaal. Eine Erinya schloss die große Flügeltür hinter ihm.
»Beseitigt die Kadaver«, rief Yorak, und sofort eilten zwei Dienerinnen herbei, um die toten Ghule wegzuschleifen.
»Ich hätte ihn töten sollen«, flüsterte Yorak, und seine Stimme klang so kalt, dass es Zervana einen wohligen Schauder über den Rücken trieb.
»Glaub mir, dieser Wunsch brennt auch in mir. Doch noch ist seine Zeit nicht gekommen.«
Yorak musterte sie fragend.
»Die Ghule sind gierig. Sie lechzen nach totem Fleisch. Die Südlande taugen kaum mehr als Jagdgründe, und uns anzugreifen wagen sie nicht.«
»Das würden sie auch mit dem Leben bezahlen!«
»Ja, in der Tat. Also werden sie sich auf unseren Handel einlassen und mit uns nach Norden ziehen. Hanafehl hat das längst entschieden. Er will nur Bedenkzeit, um seinen Status zu unterstreichen. Unser Volk wird durch die Ghule Deckung erhalten, und die Bedrohung aus den Nordlanden ist gebannt.«
»Hanafehl könnte zu einer neuen Bedrohung werden«, warf Yorak ein.
Zervana erhob sich und stieg anmutig die Stufen des Throns herab. Sie glitt auf Yorak zu und je näher sie kam, desto heftiger schlug ihr Herz. »Ich begrüße deine Fähigkeit mitzudenken, und tatsächlich, deine Befürchtung ist berechtigt. Dennoch, jetzt brauchen wir die Ghule, denn eine Allianz mit Elfen oder Menschen ist wohl kaum möglich, ebenso wenig wie mit diesen Halben oder den Nomadenvölkern, die durch den fernen Süden streunen.« Zervana hob die Hand und ihr Finger fuhr langsam über die markanten Wangenknochen von Yoraks Gesicht. »Ich denke nicht daran, den Ghulen die Nordlande zu überlassen. Ist unser Siegeszug erst einmal vorüber, darfst du Hanafehl töten.« Nun konnte Zervana nicht mehr anders, sie drückte sich dicht an Yoraks Körper. »Aber ich möchte dabei zusehen, und noch während er in seinen letzten Atemzügen liegt, sollst du in den Flammen meiner Leidenschaft aufgehen.«
Yorak atmete heftig, Zervana konnte spüren, wie sich seine Männlichkeit regte. Dann wandte sie sich rasch ab und winkte einer Dienerin zu. »Lass Moydana in mein Gemach bringen.«
Zervana würdigte Yorak keines weiteren Blickes mehr und eilte davon. Sie durfte ihrem Begehren noch nicht nachgeben, dies wäre ein tödlicher Fehler. Geduld war eine Tugend wie sie die wenigsten Erinyen besaßen, sie hingegen schon. Ein entscheidender Vorteil, den Levtha, die ehemalige Herrscherin, nicht besessen hatte.
8. DURCH DIE SCHROFFEN BERGE
Jorim träumte von Wiesen und Wäldern. Er war in Westendtal, roch frisch geschnittenes Gras und den Duft von wildem Flieder. Er saß auf einem von der Sonne erwärmten Baumstumpf und rauchte seine Pfeife. Gerade
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