Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
Zervanador leben noch immer einige menschliche Sklaven.«
Prompt tropfte Speichel von den Lippen des kleineren Ghuls. Zervana wandte sich angewidert ab. »Ich erwarte eine Armee in höchstens acht Tagen«, rief sie den Besuchern über die Schulter zu, während sie langsam die Thronstufen hinaufstieg. Zwei Erinyen geleiteten die Ghule hinaus.
»Bringt mir Yorak«, rief sie einer Dienerin zu.
Wenig später stand der hochgewachsene Erinya vor dem Podest, auf welchem der Thron stand, und verneigte sich. »Welchen Wunsch vermag ich Euch zu erfüllen?«
»Töte einen der Ghule.«
Yoraks Augenbrauen gingen in die Höhe.
»Doch tu es nicht selbst. Wähle eine in Ungnade gefallene Erinya. Sie soll es tun. Dann töte die Erinya und gib dem überlebenden Ghul ihren Kopf mit.«
»Welchen Sinn soll dies haben? Damit ziehen wir nur den Zorn unserer Verbündeten auf uns«, wagte Yorak einzuwenden. »Ich verstehe Eure Handlungsweise nicht.«
»Aus diesem Grund bin auch ich die Herrscherin der Erinyen, und nicht du.« Zervana stieg von ihrem Thron und umrundete Yorak so dicht, dass sie seinen Atem spüren konnte.
»Ich bin mir sicher, Hanafehl hat mir absichtlich diese beiden schwächlichen und dummen Ghule geschickt, weil er mich glauben lassen will, ich könnte die Ghule leicht beherrschen. Er will mich in falscher Sicherheit wiegen, damit ich unvorsichtig werde.« Zervanas langer, spitzer Finger streckte sich Yoraks Kinn entgegen, und sie strich ihm über die glatte Haut. »Er versucht, mich zu manipulieren. Du verstehst sicher, dass ich das nicht dulden kann.«
»Und genügt es nicht, diese List des anderen zu durchschauen?«, fragte Yorak, und für einen Moment glaubte Zervana zu spüren, wie er seinen Kopf ihrem Finger ganz leicht entzog.
»Es mag sein, dass dir das genügt. Doch wenn einer seiner Ghule getötet wird und wir ihm gleichzeitig den Kopf der Mörderin zukommen lassen, wird ihm das zu denken geben.«
Yorak antwortete nicht, sondern blickte Zervana noch immer skeptisch an.
»Bei seinem ersten Erscheinen hat Hanafehl mich offen provoziert«, erklärte sie. »Zudem hat er seine Stärke zur Schau gestellt, indem er seine beiden Begleiter tötete. Nun schickt er uns zwei schwache und obendrein törichte Vertreter seines Volkes, weil er mich glauben lassen möchte, die Ghule wären leicht zu beherrschen. Was sagt dir das?«
»Er spielt mit Euch.«
Zervana nickte. »Und er will mich prüfen. Er will wissen, wie er mich einschätzen muss, damit er zukünftig meine Entscheidungen besser vorhersehen kann.«
»Wäre es dann nicht klüger, gar nichts zu tun?« Yorak verschränkte die Arme und lehnte sich gegen das Podest des Throns.
»Ich gebe zu, anfangs war ich geneigt, genau das zu tun. Aber«, Zervana hielt kurz inne, »ich will mitspielen! Er wird angestrengt darüber nachdenken, weshalb ich einen Ghul töte und gleich den Kopf der Mörderin mitliefere. Doch er wird zu keinem Ergebnis gelangen, denn es macht in der Tat keinen Sinn und wird dazu beitragen, dass er mich nicht einschätzen kann. Ich bleibe unberechenbar!«
Yorak nickte schließlich, auch wenn er noch immer nicht überzeugt zu sein schien, und wollte sich gerade abwenden.
»Warte«, Zervana hob die Hand. »Da ist noch etwas. Schlage dem überlebenden Ghul noch eine Hand ab.«
Yorak runzelte die Stirn.
»Frag nicht warum, Yorak«, kam ihm Zervana mit eiskalter Stimme zuvor. »Der Ghul wird wissen, weshalb. Immerhin hat er vorgeschlagen, meine Hand mitzunehmen, damit Hanafehl in unseren Pakt einschlagen kann. Ich kann nicht alle Unverschämtheiten dieses Gewürms dulden.«
»In der Tat, das könnt Ihr nicht«, stimmte Yorak zu. »Es soll so geschehen, wie Ihr es wünscht.« Yorak neigte den Kopf und ging mit geschmeidigen Schritten hinaus. Zervana lächelte ihm grimmig und zufrieden nach – alles verlief nach ihrem Plan.
12. DAS GEFANGENENLAGER
Die Halblinge hatten Elgos Behausung vor zwei Tagen verlassen und waren weiter in südliche Richtung marschiert. Auch dieser Morgen war wolkenverhangen. Nespur ging in die Hocke und betastete mit der Hand den Boden. »Das Gras ist über Nacht trocken geblieben.«
»Und was bedeutet das?«, wollte Enna wissen.
»Kein Tau hat sich darauf niedergeschlagen, das heißt, es wird heute Regen geben«.
»Ein hervorragender Tag für eine Wanderung, also«, scherzte Jorim, hakte die Daumen in den Trägergurten seines Bündels ein und lief los. Die Schreckensnachricht von Bronns Tod belastete ihn noch
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