Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
auf dem Grund einer Flasche zu finden«, er schüttelte den Kopf und lachte bitter, »doch ganz gleich, wie viele Flaschen ich auch geleert habe, es waren nie Antworten da.« Er zeigte auf die unzähligen Flaschen, die von seiner Höhlendecke baumelten. »Und ich habe wirklich viele von ihnen geleert, das könnt ihr mir glauben.«
Niemand bezweifelte dies.
Jorim griff nach einer der Flaschen, die an der Decke hingen, und betrachtete sie näher. Er kannte das sonderbare Material, aus dem sie gefertigt waren, nicht, und so drehte er sie in seinen Händen hin und her. Die Flaschen waren durchsichtig, und man konnte die Farbe des Getränkes, das sich in ihnen befand, genau erkennen.
»Das nennt man Glas«, kam Elgo Jorims Frage zuvor. »Die Menschen in dem Dorf, das von den Erinyen ausgelöscht wurde, haben die Flaschen aus Arboron.«
»Man kann sehen, was sich im Inneren befindet«, stellte Jul fest und bekam dabei leuchtende Augen. »Auch für meine Kräuter und Gewürze wären das hervorragende Behältnisse. Wie kann man so etwas fertigen?«
»Das weiß ich nicht«, entgegnete Elgo. »Dieses Handwerk stammt aus dem fernen Süden, wo einer der Menschen es erlernt und nach Arboron gebracht hat. Nur wenige verstehen sich darauf.« Ein schiefes Grinsen zeichnete sich auf Elgos Gesicht ab. »Ich war auch mehr am Inhalt interessiert als an dem Glas.«
»Die Lage ist bedrohlich, Elgo Trunkenbold«, unterbrach ihn Nespur. »Westendtal ist in großer Gefahr, während du nur säufst! Ich hoffe, dies ist dir bewusst.«
»Elgo Trunkenbold, ein berauschender Name«, erwiderte Elgo lachend, offensichtlich amüsiert über diese Wortwahl. Dann jedoch wurde er ernst und presste die Lippen aufeinander. Unvermittelt wandte er sich ab, legte Feuerholz nach, obwohl die Flammen im Kamin nach wie vor loderten und mehr Wärme spendeten als nötig. Zum Erstaunen aller wirkte er aufrichtig betroffen, als er sich wieder umdrehte.
»Keine Sorge, ich verstehe den Ernst der Lage. Die Erinyen sind verschlagen und grausam, und wenn sie einen Pakt mit den Ghulen eingehen, besteht wenig Hoffnung für die Nordlande. Von Westendtal ganz zu schweigen. Aber«, Elgo zögerte und sah seine Gäste eindringlich an, »da ist noch etwas.«
»Was?«, wollte Enna wissen.
»Es gibt da ein Lager.«
»Was für ein Lager?« Nespur kniff misstrauisch sein Auge zusammen.
»Ein Gefangenenlager.«
Kurz herrschte betroffene Stille, und nur das Knacken des brennenden Holzes war zu hören.
»Wo ist es? Und wer sind die Gefangenen?«, fragte Jorim schließlich.
»Es liegt südlich von Arboron, in den Ausläufern der Hohen Wand von Myrador. Dort gibt es eine Silbermine«, begann Elgo. »Das Silber verwendeten die Menschen, um edlen Schmuck für ihre feinen Damen herzustellen. Aber natürlich bequemten sich die Damen nicht selbst in die tiefen Stollen hinab, um das Material ihrer Begierde zutage zu fördern.«
»Das übernahmen Gefangene, richtig?«, folgerte Enna.
Elgo nickte.
»Ja, aber was hat das mit uns zu tun?«, unterbrach Jorim ungeduldig.
»Eben, weswegen erzählst du uns das?«, fragte auch Elvor.
»Das Lager ist jetzt in der Hand der Erinyen«, sagte Elgo leise. »Und die Gefangenen sind Halblinge.«
»Halblinge?«, rief Elvor und wirkte wütend und ungläubig zugleich. »Wie kommen Halblinge hierher in ein Gefangenenlager?«
Elgo hob die Schultern. »Gab es nicht hin und wieder Halblinge, die Westendtal unbedingt verlassen wollten? Narren wie mich? Händler, Reisende, Abenteurer?«
»Nun ja«, überlegte Jorim laut und sah zögernd Nespur an. »Hin und wieder … vielleicht.«
»Ich bin stets heimgekehrt«, entgegnete Nespur auf Jorims Blick hin. »Ich weiß, wo meine Heimat ist.«
»Das wussten die anderen auch«, stellte Elgo richtig und strich sich mit den Fingern durch sein graues Haar. »Doch sie wurden von den Menschen gefangen genommen, weil die irgendwann auf die Idee kamen, Halblinge seien die besseren Minenarbeiter.« Elgo lachte bitter. »Und ironischerweise kam es noch schlimmer. Nun schuften sie unter der harten Hand der Erinyen, denn auch die hochgeschossenen Geißelträgerinnen wissen das glänzende Geschmeide durchaus zu schätzen.«
»Und was tun wir jetzt?«, fragte Jul ungeduldig. »Wir können sie doch nicht ihrem Schicksal überlassen!«
»Nein, das werden wir auch nicht.« Enna erhob sich entschlossen. »Wir werden die Halblinge befreien!«
»Das wird kein Spaziergang«, wandte Nespur ein. »Wir müssen uns genau
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