Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
beobachten. Anscheinend sind unsere Feinde auch die ihren. Die Halben könnten für uns noch nützlich sein.«
Geschmeidig und ohne ein Geräusch zu verursachen zog sie los. Gwendalon sah ihr hinterher, während er nicht zum ersten Mal die überwältigende Schönheit der jüngsten Tochter des Hauses Enduriel bewunderte. Dann folgte er ihr ebenso leise und verschmolz mit dem Wechselspiel von Licht und Schatten.
15. IM STURMESWIND ER BRAUST
Die Halblinge hatten sich noch ein ganzes Stück gen Norden bewegt, und inzwischen liefen mehrere von ihnen neben dem Wagen her, um die Tiere zu entlasten. Glücklicherweise war ihnen das Pony des verunglückten zweiten Wagens gefolgt, sodass sie nun auch dieses Tier mit vor den Karren spannen konnten. Und dennoch wurden die Ponys immer schwächer. Die Strapazen in der Mine hatten sie ausgezehrt, ebenso wie die gefangenen Halblinge. Es war wohl nur die Aufregung der Flucht gewesen, die die Tiere in Panik versetzt und ihnen noch einmal Kraft gegeben hatte. Vielleicht waren sie auch von der ein oder anderen Biene aufgescheucht worden. Doch nun trotteten sie mit hängenden Köpfen dahin.
Jorim fühlte sich genauso elend, wie die beiden Minenpferde aussahen. Von jenem verhängnisvollen Augenblick an, wo sie von den Erinyen entdeckt worden waren, hatten sich die Ereignisse überschlagen. Für Trauer war da keine Zeit geblieben. Das Entsetzen schien sich in seinen Knochen versteckt zu haben, und nun kam es hervorgekrochen. »Was ist geschehen?«, fragte Enna leise, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
Kurz blickte Jorim auf die restlichen Halblinge. Genau wie ihm liefen auch den anderen Tränen übers Gesicht, hinterließen Spuren, dort wo sie den Schmutz wegwuschen. Selbst Elgo weinte, was Jorim verwunderte, hatte der alte, grauhaarige Halbling doch weder Nespur noch Fundil gut gekannt.
»Nespur und Fundil haben sich geopfert, um uns das Leben zu retten«, erklärte Jorim mit monotoner Stimme.
Enna schaute zu ihm auf, betrachtete ihn aus traurigen Augen, als wollte sie es ihnen überlassen, all die Fragen zu stellen, die ihr in der Seele brannten.
Nach und nach erzählte Jorim, was in der Mine während ihrer Flucht geschehen war.
Am Ende nickte Enna nur, auch sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Schweigend und voller Trauer trotteten die Halblinge eine Zeit lang nebeneinander her, doch die Müdigkeit zwang sie schließlich einen nach dem anderen wieder auf den Karren.
»Auch die armen Ponys sind vollkommen erschöpft«, sagte Enna und strich einem von ihnen über den Hals, bevor auch sie auf die Ladefläche kletterte.
»Wir müssen sie freilassen«, bemerkte Jul plötzlich. »Was meinst du, Jorim?«
Jorim rieb sich übers Kinn. »Das sehe ich genauso. Aber noch sind wir nicht außer Gefahr. Vielleicht folgen uns noch einige dieser bleichen Knochenweiber.«
»Da magst du recht haben«, stimmte Elgo zu, dessen faltige Hände nun die Zügel hielten. Sein Gesicht war vom Minenstaub noch immer völlig verdreckt, und Jorim nahm an, dass er selbst auch nicht besser aussah. Elgo deutete auf den Boden, der mit hohem Gras bewachsen war. »Wenn die Erinyen uns nachsetzen, können sie immer den Radspuren folgen. Das Gras wird durch den Wagen platt gedrückt, das gibt eine gute Fährte.«
Wieder nickte Jorim ernst, dann sah er sich um und zeigte auf ein nahe gelegenes Wäldchen. »Ich habe eine Idee! Wir lenken die Tiere dorthin, dann klettern wir über die Bäume, und weg sind wir, ohne Spuren zu hinterlassen!«
»Da spricht der Baumhausbewohner in dir, nicht wahr?«, sagte Enna wenig überrascht.
Jorim grinste. »Das mag schon sein.«
»Ein hervorragender Einfall!«, rief Pim. »Wir legen einfach eine falsche Fährte. Die Ponys werden weitertrotten, und die garstigen Weiber können dann den Radspuren hinterherlaufen.«
Dem hatte niemand etwas entgegenzusetzen, und so steuerten sie den Rand des Waldes an. Es war zwar nicht gleich der erste Baum, der sich für ihr Vorhaben als geeignet erwies, aber sie mussten auch nicht allzu lange suchen. Eine dicke, knorrige Eiche, deren Stamm nicht sehr hoch, dafür aber mit vielen Ästen bewachsen war, würde ihnen das Hochklettern ermöglichen. Und in unmittelbarer Nähe befanden sich weitere Bäume, die nah genug beieinanderstanden und über die sie sich ein Stück weit würden entfernen können.
Elgo lenkte den Wagen unter den Baum. Kaum hatten sie angehalten, da senkten die Ponys auch schon die Köpfe und begannen zu
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