Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kampf des Geisterjaegers

Titel: Der Kampf des Geisterjaegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Delaney
Vom Netzwerk:
die oben auf dem Hügel standen. Ich war jetzt so nahe, so dicht an der Zuflucht, die meine Mutter vorbereitet hatte. Doch der Mond war rot - so rot und tauchte alles in sein grelles, bedrohliches Licht. Und die Gehenkten waren da. Die Gespenster. Die Reste derjenigen, die vor langer Zeit in einem Bürgerkrieg gestorben waren, der das Land geteilt hatte, Familien zerrissen und Bruder gegen Bruder hatte kämpfen lassen.
    Ich hatte die Gespenster schon früher gesehen. Der Spook hatte mich gleich in den ersten Minuten meiner Lehre mit ihnen konfrontiert, als wir den Hof meines Vaters verlassen hatten. Als kleiner Junge hatte ich sie von meinem Zimmer aus gehört. Sie waren eine Tatsache. Sie ängstigten die Hofhunde, die sich nicht auf die darunterliegenden Weiden trauten. Doch selbst als ich ihnen mit dem Spook gegenübergetreten war, waren sie nie so lebendig, so real gewesen. Sie ächzten und keuchten und drehten sich langsam an den knarrenden Ästen. Anklagend schienen ihre Augen mich anzublicken, schienen zu sagen, dass das irgendwie meine Schuld war, dass sie meinetwegen dort hängen mussten.
    Aber es waren nur Geisterbilder, sagte ich mir und dachte an eine der ersten Lektionen, die mir der Spook erteilt hatte. Es waren keine Geister, keine fühlenden zurückgelassenen Seelen, die an den Ort ihres Todes gebannt waren. Es waren nur Bruchstücke, Erinnerungen, die zurückgeblieben waren, während die Seelen weitergegangen waren - hoffentlich an einen besseren Ort. Dennoch starrten sie mich an und ihr Blick ließ mich bis ins Mark erschauern. Da ertönte plötzlich ein bedrohliches Geräusch: Jemand rannte den Hügel hinauf auf mich zu, die Schritte hallten auf dem harten, gefrorenen Boden!
    Grimalkin, die Mörderhexe, war hinter mir her und machte sich bereit, mich zu töten.

Kapitel 24
Verzweiflung
    Die Hexe jagte mich durch den dunklen Wald und kam mir mit jeder Sekunde immer näher.
    Ich rannte, so schnell ich konnte, schlug verzwweifelt Haken, während mir die Zweige ins Gesicht peitschten. Zweimal duckte ich mich, als mir kalte tote Finger über die Stirn strichen. Gespensterfinger. Die Finger der Gehenkten.
    Gespenster waren meist Trugbilder - Bilder ohne Substanz. Doch die Angst verlieh ihnen Kraft und Masse und ich hatte Todesangst. Angst vor der Mörderin, Angst vor dem Tod, der mich durch den Wald jagte. Und meine Angst nährte die Dunkelheit noch.
    Ich war müde und meine Kräfte verließen mich, doch ich hetzte immer schneller und schneller zum Gipfel des Henkershügels empor. Als ich ihn erreicht hatte, glomm wieder ein schwacher Funke von Hoffnung in mir auf. Bergab würde es schneller gehen. Jenseits der Bäume lag der Zaun, der die Nordweide des Hofes eingrenzte. Wenn ich über den Zaun geklettert war, dann war es nur noch eine halbe Meile zum Hofgebäude und zur Hintertür des Hauses. Dann die Treppe hinauf. Den Schlüssel ins Schloss der Tür zu Mamas Raum stecken und umdrehen. Hineingehen. Hinter mir abschließen. Dann wäre ich in Sicherheit! Aber blieb mir genug Zeit dafür?
    Grimalkin konnte mich zurückziehen, wenn ich über den Zaun kletterte. Sie konnte mich einholen, wenn ich über die Weide lief. Oder auf dem Hinterhof. Dann musste ich die Tür aufschließen. Meine Finger würden zittern, wenn ich versuchte, den Schlüssel ins Schloss zu stecken, während sie hinter mir die Treppe hinaufstürmte.
    Würde ich überhaupt bis zum Zaun kommen? Sie kam mir näher. Immer näher. Ich konnte hören, wie ihre Schritte den Hang hinabhämmerten. Dreh dich um und kämpfe, sagte mir eine innere Stimme. Es ist besser, sich ihr jetzt zu stellen, als von hinten niedergestreckt zu werden. Doch welche Chance hatte ich gegen eine ausgebildete und erfahrene Mörderin? Welche Hoffnung bestand im Kampf gegen die Stärke und Schnelligkeit von jemandem, dessen Talent Mord war?
    Mit der rechten Hand hielt ich den Stab des Spooks, in der linken die Silberkette, die wurfbereit um mein Handgelenk gewickelt war. Ich rannte weiter, während der Blutmond sein unruhiges Licht durch das Blätterdach der Bäume zu meiner Linken warf. Fast hatte ich den Rand des Waldes auf dem Henkershügel erreicht, doch die Mörderhexe war mir dicht auf den Fersen. Neben dem Geräusch ihrer Schritte konnte ich auch jetzt ihren keuchenden Atem hören.
    Als ich auf die letzten Bäume zulief und den Zaun direkt vor mir sah, rannte die Hexe von rechts auf mich zu, in jeder Hand einen Dolch, dessen lange Klinge im roten Mondlicht glitzerte.

Weitere Kostenlose Bücher