Der Kampf des Geisterjaegers
sich zu drehen, und hätte mich Mab nicht an den Schultern festgehalten, wäre ich bestimmt rückwärts vom Baumstumpf gefallen.
Gerade als sich ihre warmen Lippen weich auf die meinen pressten, fühlte ich scharfe Schmerzen in meinem linken Unterarm. Es war, als hätte jemand viermal mit einer langen spitzen Nadel hineingestochen.
Vor Schmerz sprang ich auf und Mab stürzte rückwärts ins Gras. Ich sah meinen Unterarm an. Dort glänzten vier Narben im Mondlicht, und ich erinnerte mich daran, woher ich sie hatte. Alice hatte mich einmal so fest am Arm gehalten, dass sich ihre Fingernägel lief in mein Fleisch gegraben hatten. Als sie mich losgelassen hatte, hatten ihre Nägel vier hellrote Blutstreifen in meinem Arm hinterlassen.
Tage später, auf dem Weg zu ihrer Tante in Staumin, hatte sie die Narben auf meinem Arm berührt, und ich erinnerte mich noch genau daran, was sie gesagt hatte:
Ich habe dir mein Zeichen aufgedrückt ... Das geht nie wieder weg
Ich war mir nicht sicher gewesen, was sie damit gemeint hatte, und sie hatte es mir nie wirklich erklärt. Als wir uns damals in Priestown gestritten hatten und ich schon Weggehen wollte, da hatte Alice gerufen: Du gehörst mir! Du gehörst zu mir!
Damals hatte ich nicht viel darüber nachgedacht. Jetzt allerdings begann ich mich zu fragen, ob es vielleicht mehr bedeutete, als mir bewusst war: Alice und die drei Mädchen schienen zu glauben, dass eine Hexe irgendwie jemanden für immer an sich binden konnte. Ob das möglich war oder nicht, ich war jedenfalls Mabs Macht entkommen, und das verdankte ich Alice.
Als Mab zornig aufstand, zeigte ich ihr die Narben auf meinem Arm.
»Ich kann dir nicht für immer gehören, Mab«, sagte ich, wobei mir die Worte wie hingezaubert über die Lippen kamen. »Ich gehöre bereits einer anderen. Ich gehöre Alice.«
Ich hatte kaum ausgesprochen, als Beth und Jennet sich beide graziös von ihren Stümpfen fallen ließen und erneut rückwärts den Hügel hinunterrollten. Wieder konnte ich hören, wie sie durch die Büsche und die Brombeeren bis zum Fuß des Hügels rollten, nur dass sie dieses Mal weder quiekten noch lachten.
Als ich Mab ansah, sprühten ihre Augen vor Zorn.
Schnell bückte ich mich und nahm meinen Eschenstab, bereit, sie zu schlagen, wenn es sein musste. Mab sah den erhobenen Stock an, erschrak und machte schnell zwei Schritte zurück.
»Eines Tages wirst du mir gehören!«, sagte sie und verzog ihre Lippen zu einem schiefen Lächeln. »So sicher, wie ich Mab Mouldheel heiße. Und das wird viel früher geschehen, als du glaubst. Ich will dich, Thomas Ward, und wenn Alice tot ist, dann gehörst du mir!«
Damit wandte sie sich ab, nahm die beiden Laternen und ging einen anderen Weg den Hang hinunter, als wir hinaufgekommen waren, um nach kurzer Zeit zwischen den Bäumen zu verschwinden.
Ihre Worte ließen mich bis ins Mark erschauern. Ich hatte mit drei Hexen aus dem Mouldheel-Clan gesprochen. Mab hatte gewusst, wo sie mich finden kann - das musste Alice ihr gesagt haben. Wo war Alice? Ich war mir sicher, dass Mab und ihre Schwestern es wussten.
Einerseits wollte ich gerne nach Downham zurückgehen und dem Spook erzählen, was geschehen war. Aber Mabs Lächeln, als sie ihre Drohung ausgesprochen hatte, hatte mir überhaupt nicht gefallen. Wahrscheinlich war Alice ihre Gefangene oder in ihrer Gewalt. Vielleicht wollten sie sie töten, sobald sie zurückkamen. Ich hatte also keine andere Wahl: Ich musste den Schwestern folgen.
Ich hatte mir die Richtung gemerkt, in die Mab verschwunden war. Sie war nach Süden gegangen. Nun musste ich ihr und ihren Schwestern den gefährlicheren Osthang des Hügels hinabfolgen und ihnen zu den drei Dörfern nachschleichen, die die Ecken dessen bildeten, was Pater Stocks als das Teufelsdreieck bezeichnet hatte.
Kapitel 6
Ein Keller voller Spiegel
Ich war der siebte Sohn eines siebten Sohnes, daher konnten mich Hexen auf größere Entfernung nicht riechen. Das hieß, dass ich den drei Schwestern einigermaßen sicher folgen konnte, solange ich ihnen nicht zu nahe kam. Außerdem musste ich nach weiteren, wesentlich gefährlicheren Mitgliedern der Familie Mouldheel Ausschau halten.
Zuerst war es ganz einfach. Ich sah den Laternenschein vor mir und konnte die drei Mädchen auf ihrem Weg durch den Wald vor mir hören. Sie machten eine Menge Krach, sprachen mit erhobenen Stimmen und schienen sich zu streiten. Einmal trat ich trotz aller Vorsicht auf einen Zweig, der mit lautem
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