Der Kampf des Geisterjaegers
schlurfte davon und wir mussten weitere Minuten warten. Die tiefe Stille erinnerte mich an eine Kirche. Schließlich wurde sie von herannahenden Schritten unterbrochen. Doch anstelle des Herrn, den ich erwartet hatte, erschien eine Frau vor uns und beäugte uns kritisch. Nach dem, was der Priester gesagt hatte, wusste ich sofort, dass es sich um Mistress Wurmalde handeln musste.
Sie war etwa Ende dreißig, für eine Frau ziemlich groß und hielt sich sehr aufrecht, nahm die Schultern zurück und hielt den Kopf hoch erhoben. Ihr dichtes dunkles Haar war wie eine Löwenmähne hinter ihre Ohren zurückgestrichen, was ihr gut stand, da es ihre kräftigen Gesichtszüge betonte.
Zwei weitere Merkmale zogen meine Blicke so auf sich, dass sie unwillkürlich dazwischen hin und her sprangen: ihre Lippen und ihre Augen. Sie konzentrierte sich auf den Priester und sah mich nicht direkt an, und doch wusste ich sofort, dass ihr Blick kühn und durchdringend war; ich spürte, dass sie mir mit einem flüchtigen Blick bis auf den Grund meiner Seele sehen konnte. Und ihre Lippen waren so blass wie die einer Leiche. Sie waren groß und voll, und obwohl die Farbe fehlte, schien sie eine Frau von großer Stärke und Vitalität zu sein.
Doch die größte Überraschung stellte ihre Kleidung dar- Ich hatte noch nie eine Frau gesehen, die so angezogen war. Sie trug ein Kleid aus feinster schwarzer Seide mit einer weißen Halskrause. Das Kleid bestand aus so viel Stoff, dass es noch für zwanzig andere gereicht hätte. An der Hüfte schwang der Rock zu einer weiten Glocke aus, die bis auf den Boden reichte und ihre Füße versteckte. Wie viele Lagen Seide brauchte man wohl dafür? Es musste eine Menge Geld gekostet haben und solch ein Kleid passte sicher besser an einen Königshof.
»Seien Sie willkommen, Pater«, sagte sie. »Aber was verschafft uns die Ehre Ihres Besuches? Und wer ist Ihr Begleiter?«
Der Priester verneigte sich leicht. »Ich möchte mit Master Nowell sprechen«, antwortete er. »Und das hier ist Tom Ward, er besucht Pendle.«
Zum ersten Mal richtete Mistress Wurmalde ihren Blick direkt auf mich, und ich sah, wie sich ihre Augen leicht weiteten. Dann bebten ihre Nasenflügel und sie schniefte einmal kurz in meine Richtung. Bei diesem Kontakt, der kaum eine Sekunde dauerte, lief es mir eiskalt über den Rücken. Ich wusste, dass ich hier jemandem gegenüberstand, der mit der Dunkelheit zu tun hatte. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass die Frau eine Hexe war. Und in diesem Moment erkannte ich, dass auch sie wusste, was ich war. Wir hatten uns beide innerhalb eines Moments gegenseitig erkannt.
Sie runzelte leicht die Stirn, doch dann überlegte sie es sich schnell, lächelte kühl und wandte sich wieder an den Priester. »Es tut mir leid, aber das wird heute kaum möglich sein. Master Nowell hat sehr viel zu tun. Versuchen Sie es doch morgen noch einmal - vielleicht am besten nachmittags.«
Pater Stocks errötete leicht, doch dann richtete er sich auf und sagte entschlossen: »Ich muss mich für die Unterbrechung entschuldigen, Mistress Wurmalde, aber ich möchte Master Nowell in seiner Eigenschaft als Magistrat sprechen, Die Angelegenheit ist dringend und kann nicht warten ...«
Mistress Wurmalde nickte, aber sie sah nicht gerade glücklich aus. »Bitte seien Sie so gut und warten Sie hier«, wies sie uns an. »Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.«
Wir warteten in der Eingangshalle. Besorgt wollte ich Pater Stocks dringend meine Bedenken bezüglich Mistress Wurmalde mitteilen, aber ich befürchtete, dass sie jeden Moment zurückkehren konnte. Stattdessen schickte sie das Mädchen, das uns in ein großes Arbeitszimmer führte, welches der Bibliothek des Spooks in Chipenden weder in Bezug auf Größe noch in Bezug auf die Anzahl der Bücher nachstand. Doch während die Bücher des Spooks unterschiedliche Größe und Formen hatten und unterschiedlich gebunden waren, waren diese hier alle gleichmäßig in dunkles Leder gefasst. Sie schienen mehr zu Dekorationszwecken da zu sein anstatt zum Lesen.
Das Arbeitszimmer war warm und gemütlich, erhellt von einem großen Holzfeuer links von uns, über dem ein großer Spiegel mit einem kunstvoll verzierten Goldrahmen hing. Als wir eintraten, schrieb Master Nowell an seinem Schreibtisch. Im Gegensatz zu den ordentlichen Regalen war er mit Papieren übersät. Master Nowell erhob sich und begrüßte uns lächelnd. Er war Anfang fünfzig, mit breiten Schultern und
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