Der Kapuzenmörder
stieß den Schemel hinter sich um.
»Sir Gilbert, ich wünsche Euch einen guten Tag!« Brüsk wandte er sich ab und ging zur Tür.
»Corbett!«
Der Sekretär ging weiter und war unten an der Treppe, bevor Somerville ihn eingeholt hatte.
»Sir Hugh, bitte.«
Corbett drehte sich um. »Es tut mir leid, daß Eure Mutter tot ist«, sagte er ruhig. »Aber Euer Benehmen, Sir, finde ich schändlich.«
Der junge Mann wich seinem Blick aus. »Ihr versteht das nicht«, murmelte er. »Vater hat dies getan! Vater hat das getan! Ja, meine Mutter ist tot. Na und, Sekretär? In ihren Augen war ich immer schon tot.«
Corbett schaute den jungen Mann an und fragte sich beiläufig, ob er genug Haß aufgestaut hatte, um einen Mord zu begehen. Der junge Mann sah ihn mit glasigen Augen an.
»O nein!« murmelte er. »Ich kann erraten, was Ihr da denkt, Sekretär. Für mich hat meine Mutter nicht existiert. Warum sollte ich sie also umbringen? Aber wartet, ich habe da etwas für Euch.« Er lief die Treppe hinauf und kam wenig später mit einem Stück Pergament zurück. »Nehmt das«, sagte er leise. »Studiert es, und benutzt es, wie Ihr es für richtig haltet. Weiter habt Ihr keinen Grund mehr, zu bleiben oder wiederzukommen.«
Corbett verbeugte sich flüchtig, ging hinaus und schloß die Tür hinter sich.
Erst in der St. Martin’s Lane blieb er stehen, um das Pergament zu betrachten. Es war eine Kleiderliste, vermutlich von Lady Somerville im Zusammenhang mit ihrer Arbeit in der Abtei aufgestellt; aber sie hatte rohe Zeichnungen von Mönchen dazu angefertigt, die ihre Hände wie zum Gebet gefaltet hatten. Es waren kindliche, unbeholfene Bilder, aber hin und wieder hatte Lady Somerville keinen Mönchskopf mit Tonsur gezeichnet, sondern das Gesicht einer Krähe, eines Fuchses, eines Schweins oder eines Hundes. Aber das eigentlich Faszinierende war, daß in der Mitte der Gruppe, größer als die übrigen, eine Gestalt in Mönchskutte und Kapuzenumhang zu sehen war; die Kapuze war zurückgeschlagen, so daß man die geifernde Schnauze eines wilden Wolfs sah. Corbett studierte das Stück Pergament und versuchte, den Gedankengängen der Toten zu folgen. Hatte sie hier Gegenstände aus der Wäscherei aufgeführt und dabei eine Erinnerung geweckt? Corbett schüttelte den Kopf.
»Was immer es ist«, murmelte er, »Lady Somervilles Sicht der Brüder in Westminster ließ doch sehr zu wünschen übrig.«
»Was ist das? Was ist das?«
Corbett starrte eine kleine Bettlerin an, die eine ramponierte Holzpuppe in den Armen hielt und damit vor ihm auf und ab sprang.
»Was ist das? Was ist das?« wiederholte sie. »Gefällt dir mein Baby?«
Corbett sah sich um und merkte, daß er mitten im Gedränge stand. Er warf der Bettlerin einen Penny zu und ging eilends zur Bread Street zurück.
Er spürte das Durcheinander, kaum daß er sein Haus betreten hatte. Vom Söller hörte er Quieken und erkannte die klare, kraftvolle Stimme von Ranulfs Söhnchen. Griffin bestätigte die Neuigkeit mit betrübter Miene: Ranulf und Maltote spielten mit dem Kleinen und sollten dabei auf Eleanor aufpassen, solange Lady Maeve im Garten war. Corbett folgte ihm nach draußen. Maeve hantierte zwischen Lilien und Ringelblumen, Rosen und Levkojen. Er blieb stehen und sah ihr zu. Sie redete geschäftig mit der Magd Anna, und Corbett stand im schwindenden Sonnenlicht unter dem Vordach und sah voller Bewunderung, wie Maeve ein Stück überwuchertes Sumpfland in einen wunderschönen Garten verwandelt hatte, mit Kieswegen, jungen Apfelbäumen und Kletterranken an einer Mauer, die im Sonnenlicht stand. Weiter unten, jenseits eines kleinen Obstgartens, der noch wachsen mußte, hatte Maeve die Bauleute angewiesen, neben einer Reihe Bienenstöcke auch einen großen, weißgestrichenen Taubenschlag zu errichten. Als habe sie seine Anwesenheit gespürt, drehte sie sich jetzt um.
»Hugh! Hugh! Komm her. Schau.« Sie deutete zu Boden. *Die Kräuter haben den Winter überstanden.«
Corbett betrachtete die Kräuter, die sie im letzten Jahr gepflanzt hatte: Senf, Petersilie, Salbei, Knoblauch, Fenchel, Ysop und Borretsch.
»Siehst du?« rief Maeve triumphierend. »Sie sind gewachsen.«
Sie drehte sich um, und ihr schönes Gesicht war gerötet von der Wärme und der anstrengenden Arbeit. »Wenn alles gutgeht, haben wir zu St. Michaelis mehr als nur Salz, um unser Fleisch zu würzen.« Ihre Augen wurden schmal. »Du siehst müde aus, Hugh.« Maeve zog die dicken Wollhandschuhe aus und
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