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Der Kardinal im Kreml

Der Kardinal im Kreml

Titel: Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clancy Tom
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in dem Wirrwarr aus Eisschollen nicht erfaßt worden sein, aber wenn die russische Radaranlage über einen Detektor für sich rasch bewegende Objekte verfügte, konnte der simple Computer, der die reflektierten Signale überwachte, durchaus auf etwas ansprechen, das mit 33 Kilometern dahinrauschte. Das Boot selbst hatte nur dreißig Zentimeter Freibord; der Motor ragte etwas höher auf, war aber mit einer radarabsorbierenden Substanz beschichtet. Clark war bedacht, den Kopf nicht über die Ebene des Außenbordmotors zu heben, und fragte sich erneut, ob die wenigen Gegenstände aus Metall, die er bei sich trug, groß genug waren, um auf einem Radarschirm zu erscheinen. Gewiß, diese Sorge war irrational, denn auf die Teile sprach noch nicht einmal ein Metalldetektor des Typs, wie er auf Flughäfen verwendet wird, an, aber einsame Männer in gefährlichen Gegenden neigen halt zu geistiger Hyperaktivität. Als Dummkopf ist man besser dran, entschied er. Intelligenz ließ einen nur erkennen, was alles schiefgehen konnte.
    Die Küste war als Reihe von Punkten am Horizont deutlich
zu erkennen. Eigentlich sah sie ganz normal aus –, war aber feindliches Territorium. Diese Erkenntnis löste ein heftigeres Frösteln aus als die saubere Nachtluft.
    Wenigstens war die See ruhig. Etwas Seegang hätte zwar für günstigere Radarbedingungen gesorgt, aber auf der glatten Oberfläche kam er rascher voran, und Tempo bewirkte immer, daß er sich wohler fühlte. Er schaute nach achtern. Das Boot zog praktisch kein Kielwasser hinter sich her, und die geringe Turbulenz wollte er noch weiter verringern, indem er kurz vorm Hafen langsamer fuhr.
    Geduld, sagte er sich überflüssigerweise.
    Die ersten Tonnen tauchten auf; nun wußte er, wie weit es noch bis zur Küste war. Er setzte die Geschwindigkeit auf zehn, fünf, dann drei Knoten herab. Das Summen des Elektromotors war kaum hörbar. Clark legte die Pinne um und steuerte auf eine wacklige Anlegestelle mit vom Eis vieler Winter abgewetzten und splittrigen Pfählen zu. Er schaute durch sein Nachtsichtgerät und suchte die Gegend ab. Nirgendwo Bewegung. Dann klangen Geräusche übers Wasser; hauptsächlich von Autos, auch Musik. Es war immerhin Freitagabend; in den Restaurants wurde wohl gefeiert und getanzt. Sein Plan kalkulierte das Nachtleben sogar ein – in Estland geht es lebhafter zu als im Rest des Landes –, aber an der Anlegestelle war niemand. Er legte an und machte sein Boot sehr sorgfältig fest – wenn es wegtrieb, saß er in der Tinte. Dann schlüpfte er aus seinem Overall, nahm die Pistole und kletterte eine Leiter hinauf. Zum erstenmal fiel ihm der typische Hafengeruch auf: Bilgenöl und faulendes Holz. Im Norden war ein Dutzend Fischerboote vertäut; im Süden wurde offenbar eine neue Hafenanlage gebaut. Clark schaute auf seine Uhr, eine abgewetzte russische ›Pilot‹, und suchte nach einem Platz, an dem er sich verstecken und abwarten konnte. Noch vierzig Minuten Zeit. Bei der Berechnung der Fahrzeit hatte er kabbelige See einkalkuliert. Nun gab ihm die Flaute nur zusätzliche Gelegenheit, über den Wahnwitz dieser ganzen Operation nachzudenken.

    Â 
    Boris Filipowitsch Morosow ging an seiner Baracke entlang und schaute zum Himmel. Die Scheinwerfer bei Heller Stern verwandelten den Himmel in einen niedrigen Dom aus fallenden Flocken.
    Â»Wer da?« fragte eine Stimme mit Autorität.
    Â»Morosow«, antwortete der junge Ingenieur, als eine Gestalt ins Licht kam. Er sah die breite Mütze eines hohen Armeeoffiziers.
    Â»Guten Abend, Genosse Ingenieur. Sie sind beim Spiegelteam, nicht wahr?« fragte Bondarenko.
    Â»Kennen wir uns?«
    Â»Nein.« Der Oberst schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, wer ich bin?«
    Â»Jawohl, Genosse Oberst.«
    Bondarenko wies zum Himmel. »Herrlich, nicht wahr? Eine Entschädigung für das Leben in dieser Wildnis.«
    Â»Das macht nichts, Genosse Oberst. Wir stehen an der vordersten Linie einer bedeutsamen Entwicklung.«
    Â»Das hört man gern! Denkt Ihr ganzes Team so?«
    Â»Jawohl, Genosse Oberst. Ich habe mich freiwillig gemeldet.«
    Â»So? Woher wußten Sie denn von der Existenz dieses Projekts?« fragte der Oberst verwundert.
    Â»Ich war vergangenen Herbst mit dem Komsomol hier und ahnte, woran hier gearbeitet wird«, erwiderte Morosow und fügte hinzu: »Da

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