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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Namen trug. Die spanische Krone hatte mit einer Beförderung dafür gesorgt. Er wurde drei Jahre später zum Pilot Major ernannt und damit Leiter jener Behörde, die sich mit der Seefahrt Spaniens befasste, insbesondere der Erstellung der notwendigen Seekarten. Für Reisen blieb ihm keine Zeit mehr. Der große Entdecker sollte niemals wieder eine eigene Entdeckung machen. Und sein Leben lang gab sich Martin Waldseemüller die Schuld dafür. Der Tag, der zu seinem größten Triumph werden sollte, hatte damit seinen Glanz verloren. Er konnte sich nicht mehr an seinem Erfolg freuen.
«Stellt Euch vor, fast alles ist bereits vorbestellt», versuchte
    Gauthier Lud ihn zu vorgerückter Stunde des besagten Tages aufzumuntern. «Die Besucher reißen sich regelrecht um Euer Werk.»
    Auch der Herzog war voll des Lobes. Doch Martin Waldseemüller nickte nur müde. Er hatte einen schalen Geschmack im Mund.
    In der Nacht wälzte er sich verzweifelt auf seinem Lager herum. Was hatte er da nur angerichtet! Niemand glaubte ihm, dass er Amerigo Vespucci nicht begegnet war. Das hatten ihm die vielen Gespräche an diesem Tag deutlich gezeigt. Einer hatte es sogar offen ausgesprochen. Die Worte hallten noch immer in ihm nach. Es war Jakob Fugger von der Lilie gewesen, auch der Reiche genannt. Zusammen mit seinen Brüdern Ulrich und Georg leitete er jenes Augsburger Handelshaus, das an Reichtum den Medici kaum nachstand. «Warum sonst hättet Ihr diesen Kontinent nach Vespucci nennen sollen, wo doch jeder weiß, dass diese Ehre eigentlich Christoph Kolumbus zukommt?», fragte er, nicht ohne eine gewisse Süffisanz.
    Martin Waldseemüller erinnerte sich noch Jahre danach, wie er innerlich zusammengezuckt war. «Kolumbus hat immer behauptet, er habe den Seeweg nach Indien entdeckt und sagt das bis heute», erwiderte er.
    Der Fugger nickte. «Ja, da habt Ihr Recht. Das sagt er. Ebenso, wie Ihr sagt, dass Ihr Amerigo Vespucci niemals begegnet seid. Doch habt Ihr niemals bedacht, dass Ihr einem Irrtum aufgesessen sein könntet, dass Vespucci nicht der Entdecker Americas sein könnte? Dass die Soderini-Briefe vielleicht eine Fälschung sein könnten?»
    An diesem Tag war sich Martin Waldseemüller seiner Sache noch sicher. «Das kann ich nicht glauben.»
«Nein, nicht? Vielleicht wisst Ihr es ja besser. Ich habe jedenfalls solche Gerüchte gehört. Wie dem auch sei, ich kenne Giovanni de’ Medici aus meiner Zeit in Florenz. Ebenso den Gonfaloniere, Piero Soderini. Beide sind harte Männer und auf ihren Vorteil bedacht. Vielleicht hätten sie es gern gesehen, wenn Ihr diese neuen Welten nach ihnen benannt hättet. Ich glaube jedenfalls nicht, dass Ihr Euch mit dieser Namensgebung viele Freunde geschaffen habt. Das gilt ganz sicher für Isabella von Kastilien oder Manuel von Portugal. Sie können mit einigem Recht für sich in Anspruch nehmen, die Namenspatrone der neuen Territorien zu sein. Schließlich haben sie den größten Teil der Mittel bereitgestellt, mit denen Vespucci die Schiffe ausrüstete. Betet und hofft, dass wenigstens sie Euch glauben, dass Ihr den Florentiner niemals getroffen und Euch deshalb geirrt habt. Meinem Eindruck nach spricht allerdings einiges gegen diese Aussage. Hofft es auch um Vespuccis Willen. Die Mächtigen könnten ihm diese eitle Behauptung, der Entdecker Amerikas zu sein, sehr übel nehmen. Selbst wenn er es nicht so gesagt hat. Es ist für einen Mann in seiner Position, aber auch für einen mit Euren Träumen nie gut, ihren Zorn auf sich zu ziehen. Nach dieser Namensgebung wird Euch so schnell jedenfalls kein Kapitän mehr als Kartograph an Bord nehmen, obwohl Eure Karte wirklich das Beste ist, was ich bis jetzt gesehen habe. Meiner Ansicht nach kommt sie von allen, die erschienen sind, den wirklichen Gegebenheiten am nächsten. Dennoch, ich prophezeie Euch eines: Daran wird sich später niemand mehr erinnern. An den Namen America aber sehr wohl. So sind die Menschen nun einmal.»
Martin Waldseemüller hatte dem Fugger einigermaßen fassungslos zugehört. «Von welcher Behauptung sprecht Ihr? Amerigo Vespucci hat mir gegenüber nie etwas behauptet, schon gar nicht, der Entdecker Amerikas zu sein, auch wenn nach dem Lesen der Lettera kein Zweifel daran besteht, dass es ihm gebührt, der Namenspate dieses neuen Erdteils zu werden», empörte sich Martin Waldseemüller. «Es stimmt, was ich sage. Ich habe ihn niemals persönlich getroffen.»
«So, nicht?», es klang schon wieder etwas süffisant.
Damit hatte

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