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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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höchst gewissenhaften Erneuerer der Wissenschaften zu Basel. Herzlichen Gruß. Ich glaube, es ist Dir nicht unbekannt, dass wir die Kosmographie des Ptolemäus mit verbesserten und gewissen, von mir neu hinzugefügten Karten in der Stadt des heiligen Deodatus zu drucken vorhaben. Da nun die handschriftlichen Vorlagen voneinander abweichen, bitte ich Dich, mir und meinen Druckherren Walter und Nikolaus Lud einen Gefallen zu erweisen. Das wirst Du, hoffe ich, um so lieber tun, als es der Wissenschaft zu Nutz und Frommen gereicht, und für diese mühst Du Dich ja endlos mit Händen und Füßen ab.
Es liegt bei Euch in der Bibliothek des Predigerordens das Werk des Ptolemäus im griechischen Originaltext; ich halte diese Handschrift für ein Exemplar von äußerster Korrektheit. Daher bitte ich Dich, Du mögest mit allen Dir zu Verfügung stehenden Mitteln Dich dafür einsetzen, dass wir den Band, sei es unter Deinem oder unserem Namen, für die Spanne eines Monats ausleihen können. Falls es dazu eines Bürgen oder einer Quittung bedarf, werden wir unverzüglich dafür aufkommen. Ich hätte auch andere Männer in dieser Sache mit Bitten angegangen, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass Du die Mühe gern übernimmst und, da Du dazu imstande bist, das Gewünschte erreichst.
Die Globuskarte, die wir außer der Plankarte zum Ptolemäus vorbereiten, ist noch nicht gedruckt, wird es aber im Verlauf eines Monats sein. Und wenn jene PtolemäusHandschrift wirklich zu uns gelangt, werde ich veranlassen, dass bei der Rücksendung unseres Ptolemäus auch ein Exemplar dieser Globuskarte nebst anderem, was Deinen Söhnen nützlich sein kann, mitgeschickt wird. Lebe wohl und lass mich nicht vergeblich Dich gebeten und Deine Mühewaltung in Anspruch genommen haben. Saint-Dié, 5. April 1507
Martin Waldseemüller, auch Ilacomylus, zu allen Gegendiensten gern bereit.
13.
    Martin Waldseemüller war innerlich zum Zerreißen angespannt.
    «Nun beruhige dich, Ilacomylus. Was soll schon geschehen? Es wird dir niemand den Kopf abreißen», versuchte Philesius den Freund zu beruhigen. Dabei gab er sich gelassener als er sich wirklich fühlte. Auch ihm schlug das Herz bis zum Hals. Am 25. April anno 1507 war das große Werk nun endlich komplett, die Weltkarte gedruckt. Jetzt hing sie an der Westwand des großen Saales im Herzogspalast von Nancy. Davor war ein geschnitzter Tisch aufgebaut worden, auf dem ausgebreitet die Globensegmente lagen. Daneben stand ein fertiger Globus auf dem weiß-goldenen Damast des Tischüberwurfes. Außerdem waren mehrere Exemplare der Introductio ausgelegt. Kerzen sollten dafür sorgen, dass das alles eindrucksvoll in Szene gesetzt wurde. Der Fokus des Lichtes war auf die Wandkarte gerichtet. Im Zentrum des Kegels leuchteten die Lettern den Betrachtern entgegen, die mit ihrem Klang die Welt verändern sollten: «America».
    Der Herzog hatte befohlen, dass die Anordnung zunächst durch einen schweren, nachtblauen Samtvorhang verdeckt wurde. Er ähnelte mit seiner golddurchwirkten Oberfläche dem sternenklaren Nachthimmel, so wie ihn Vespucci einst gesehen haben musste, als er die neue Welt erreichte.
Martin Waldseemüller konnte in der kleinen Kammer neben dem großen Saal das Gemurmel von Stimmen hören. Es mussten viele sein. René von Lothringen hatte jedermann genau instruiert. Zunächst würde es Musik geben. Einer dieser Fauxbourdons , in diesem Fall von Guillaume Dufay. Er kannte sich mit Musik nicht sehr gut aus. Genauer, er war völlig unmusikalisch, fast unfähig, Töne voneinander zu unterscheiden. René von Lothringen hingegen liebte diesen inzwischen schon fast altmodischen Musikstil, der seine Blütezeit vor langer Zeit in Burgund gehabt hatte. Vielleicht, weil es diesen alternden Fürsten an seine Jugend erinnerte, an die große Schlacht bei Nancy vor so vielen Jahren, als er Karl den Kühnen in seine Schranken gewiesen und damit den Expansionsgelüsten des Burgunders ein Ende gesetzt hatte.
    Nun, auch dieser Tag war in gewissem Sinne eine Schlacht. Martin Waldseemüller, Matthias Ringmann, die beiden Luds, der ganze Kreis der Gelehrten in Saint-Dié und natürlich ihr Gönner, der Herzog von Lothringen, hatten dem alten Bild der Welt ein neues entgegenzusetzen. Das würde mit Sicherheit nicht ohne Kritik und Diskussionen abgehen. Auch wenn sich diese Schlacht nur in den Köpfen abspielte, so war sie doch nicht weniger bedeutsam als mancher Krieg. Dessen war sich der weitsichtige Herzog vielleicht noch

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