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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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haftet der Geruch
von Blut.»
Waldseemüller nickte unglücklich. Der leicht
süßliche Geruch, den er erfolgreich verdrängt hatte,
stieg ihm wieder in die Nase. «Ich kann mir jetzt aber keine neue
Decke leisten. Mein Mantel wird genügen müssen. Wenn ich
nicht bei meinem Onkel arbeite, bekomme ich auch keinen Lohn.
Ersparnisse habe ich nicht.»
Ringmanns Gesicht hellte sich auf. «Ich habe eine Idee. Die
Erwähnung Eures Onkels bringt mich darauf. Wie wäre es denn,
wenn Ihr mit mir nach Straßburg kämt?»
In den braunen Augen Waldseemüllers leuchtete ein kleiner
Hoffungsfunken auf, erlosch dann aber gleich wieder. «Ihr reist
doch erst übermorgen mit Marie ab. Ich muss aber sofort hier
weg.»
Doch Philesius war nicht mehr aufzuhalten, so begeistert war er von
seinem Plan. «Ich werde einfach sagen, dass ich dringende
Nachrichten von Grüninger bekommen habe und früher nach
Straßburg zurück muss. Und Marie wird sich freuen, ihren
Verlobten schon einige Tage früher wieder zu sehen. Doch, so
müsste es gehen.» Ein erneuter Hustenanfall schüttelte
seine hagere Gestalt. «Aber wir müssen Amerbach sagen, dass
Ihr mit mir reist. Wir können es ihm nicht verschweigen. Immerhin
vertraut er mir Marie an», keuchte er.
Waldseemüller blickte den Freund zweifelnd an, sein Gesicht, das
sich angesichts des Hoffnungsschimmers leicht gerötet hatte, war
wieder grau geworden. «Nein, das geht nicht. Wir können
diesen Mann nicht in eine solche Lage bringen. Er war sehr freundlich
zu mir. Ich will ihm keine Schwierigkeiten bereiten.»
Ringmanns Eifer war nicht mehr zu bremsen. «Lasst mich nur
machen. Ich werde ihm schon eine gute Geschichte auftischen.
Außerdem hat er ohnehin bereits einiges von Euren Schwierigkeiten
mitbekommen.»
In Martin Waldseemüllers Miene spiegelten sich noch immer die
Zweifel. «Das könnt Ihr nicht machen. Amerbach soll Euch
immerhin Marie anvertrauen. Außerdem, was sollte ich denn in
Straßburg tun? Wie sollte ich es dort jemals schaffen, meine
Pläne zu verwirklichen?»
Philesius lachte. «Das scheint typisch zu sein für Euch.
Selbst wenn Ihr in den größten Schwierigkeiten steckt, denkt
Ihr noch darüber nach, wie Ihr es schafft, eine neue Karte
herauszubringen. Aber auch da habe ich eine Idee! Jean Grüninger,
Maries Onkel, ist ein Mann, der Bilder liebt. Er liegt mir schon lange
in den Ohren, ich solle ihm einen weiteren Künstler besorgen. Als
Kartograph habt Ihr sicherlich eine künstlerische Ader.
Außerdem könntet Ihr Eure Hand für das große Werk
üben. Und Ihr bekommt gewiss einen guten Lohn, wenn Grüninger
mit Euch zufrieden ist. Vielleicht bringt er Eure Seekarte sogar
heraus, wenn Ihr ihn überzeugen könnt. Damit wäre dann
auch dieses Problem gelöst.»
In die Augen Waldseemüllers kehrte erneut die Hoffnung
zurück. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Ein
nicht unwesentlicher dabei war, dass er dann noch eine lange Zeit in
Gesellschaft von Marie zubringen könnte. Doch den behielt er
lieber für sich. «Meint Ihr denn, Grüninger würde
mich nehmen, Philesius?»
Der Freund nickte überzeugt. «Wenn Ihr auf eine Empfehlung von mir kommt, ohne jeden Zweifel.»
«Er kennt meine Arbeiten doch überhaupt nicht», wandte
Waldseemüller ein, wobei sein Widerspruch schon erheblich
schwächer klang. In Ringmanns Augen blitzte wieder dieses
amüsierte Funkeln auf, das er inzwischen schon recht gut kannte.
Er begriff sofort, dass dieser ihn bei seinen geheimsten Gedanken
ertappt hatte.
Doch Philesius ging nicht darauf ein. «Macht Euch darüber
keine Gedanken. Euer Ruf als geschickter Kartograph und Gelehrter eilt
Euch voraus. Nach einem Mann wie Euch müsste Grüninger sonst
lange suchen. Er wird Euch mit Kusshand nehmen.»
«Und wo soll ich wohnen?»
«Jetzt macht Ihr Euch und mir das Leben aber wirklich schwer.
Welche Frage! Bei mir natürlich. Was dachtet Ihr denn? Oder habt
Ihr geglaubt, ich lasse Euch auf der Straße
übernachten?»
Waldseemüller ging auf Ringmann zu und umarmte ihn.
«Außerdem muss ich ohnehin bald wieder abreisen. Ich habe
einem Freund versprochen, ihm eine Abschrift der Werke von Pico della
Mirandola in Italien zu besorgen. Grüninger unterstützt diese
Fahrt. Er erhofft sich Material für eine neue
Veröffentlichung.»
«Kommt Ihr auf Eurer Reise zufällig auch in Florenz vorbei?»
Matthias Ringmann schlug sich mit der Hand auf die Stirn. «Ja,
natürlich, warum habe ich nicht selbst daran gedacht. Mirandola
hat in Florenz gelehrt. Er war

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