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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Bemerkenswertes daran zu finden. Ohne
ein weiteres Wort verschwanden die drei mit dem Toten und dem Sarg.
Philesius fing an zu keuchen. Ilacomylus schaute besorgt zu ihm
hinüber. Er fürchtete einen weiteren dieser schrecklichen
Hustenanfälle. Das Gesicht des Freundes war hochrot.
«Furcifer, Furzer», presste er zwischen zusammengebissenen
Zähnen hervor. Dann konnte er sich nicht mehr beherrschen und
brach in schallendes Gelächter aus. «Ich weiß, das ist
nicht komisch», keuchte er, während ihm die Lachtränen
die Wangen hinunterliefen und er sich auf die Schenkel schlug.
Ilacomylus betrachtete den Freund für einen Moment fassungslos,
dann überwältigte auch ihn die Komik der Situation.
«Furcifer!» Im nächsten Moment explodierte auch er in
wildem Gelächter. Seine ganze Anspannung entlud sich in diesem
Ausbruch.
Die Männer brauchten eine Weile, um sich wieder zu beruhigen. Beiden liefen die Tränen über die Wangen.
Ringmanns Lachen ging in Husten über. Er bekam kaum noch Luft.
«Ihr müsst hier weg!», keuchte er zwischen Husten und
einem erneuten Lachanfall. «Sonst werfen sie Euch noch ins
Verlies, zusammen mit Räubern und Mördern. Oder Ihr werdet
selbst ermordet. Vielleicht haben die Mörder ja eigentlich Euch
gemeint, den Toten mit Euch verwechselt. Ihr müsst zugeben, das
könnte durchaus so sein. Und nun, nachdem Ihr mir die ganze
Wahrheit erzählt habt, wüsste ich sogar einen Grund.
Vielleicht gibt es ja jemanden ganz Bestimmten, der verhindern will,
dass Ihr diese vermaledeite, diese wunderbare Karte zeichnet.
Möglicherweise Vespucci selbst!»
«Nie und nimmer Vespucci selbst!» Dieser Gedanke war Martin
Waldseemüller überhaupt noch nicht gekommen. Doch er brachte
ihn zur Besinnung. Es stimmte, was Ringmann sagte. Er musste fort.
Sofort. Er konnte es ohnehin keinen weiteren Moment mehr in diesem Raum
aushalten. Die Basler fackelten außerdem nicht lange mit Fremden,
die unliebsam auffielen. Besonders dann, wenn sich kein anderer finden
sollte, der für den Mord in Frage kam. Martin Waldseemüller
hatte das Gefühl, dass der Mord an diesem Unbekannten in seiner
Kammer genau solch ein Fall war. Hastig begann er, seine wichtigsten
Habseligkeiten zusammenzuklauben – dabei immer bedacht darauf,
dem Bett nicht zu nahe zu kommen.
Plötzlich hielt er inne. Langsam ließ er das Hemd auf den
kleinen Haufen sinken, der sich inzwischen vor ihm auf dem Boden
aufgetürmt hatte. «Und wo soll ich hin?»
«Das ist eine gute Frage», befand auch Ringmann. «Wie
wäre es denn, wenn Ihr wieder nach Freiburg gehen würdet? Ihr
könntet erneut mit Gregor Reisch zusammenarbeiten. Ja, je mehr ich
darüber nachdenke, umso plausibler scheint mir diese Lösung.
Vielleicht bietet er Euch in der Freiburger Kartause sogar Asyl. Reisch
wäre ein guter Schutz vor unliebsamen Häschern aus Basel. Er
würde Euch sicherlich nicht ausliefern, falls sie Euch
finden.»
Waldseemüller dachte eine Weile nach. Das klang verlo ckend. Nein,
nein, doch besser nicht. Er wollte zunächst nicht zurück nach
Freiburg. Der noch immer ungesühnte Mord an seinem Vater, die
verächtlichen Blicke für den Sohn des
«Judenküng» – die Erinnerungen ballten sich ihm
zu einem Klumpen im Magen zusammen. Als ob die jetzige Situation nicht
schon schlimm genug wäre. Er schüttelte den Kopf.
«Nein, ich denke, das ist doch keine gute Idee. Ich will Reisch
nicht mit meinen Angelegenheiten belasten.»
Philesius betrachtete seinen neuen Freund nachdenklich. Er kaute an
seiner Unterlippe. «Ihr habt wahrscheinlich Recht. Außerdem
würden sich die Häscher dann möglicherweise auf Euren
Onkel stürzen.»
Ilacomylus wurde kalt bei diesem Gedanken. «Er darf auf keinen
Fall wissen, wo ich bin. Das würde ihn und seine Familie nur
unnötig in Schwierigkeiten bringen. Trotzdem muss ich ihm doch
irgendwie eine Nachricht zukommen lassen, dass es mir gut geht. Ich
kann doch nicht so einfach verschwinden.»
«Das wäre aber sicher besser, mein Freund», wandte
Ringmann ein. «Außerdem könntet Ihr ihm ohnehin erst
Nachricht geben, wenn Ihr wisst, wohin Ihr geht.»
«Das ist eine Logik, die sich mir durchaus
erschließt», erwiderte Waldseemüller und fand selbst,
dass dieser Scherz etwas mühsam klang. Der Freund versuchte sich
trotzdem in einem kleinen Lächeln. Das erstarrte jedoch sofort,
als sein Blick zufällig auf die Blutlache fiel, die auf der
Bettstatt langsam eine hässliche braune Kruste bildete.
«Eine neue Decke braucht Ihr auch. An dieser

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