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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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die Lunge aus dem Leib, sogar ohne Kleider», unkte Waldseemüller in Erinnerung an jenen Überfall in Freiburg, den Philesius ihm bei ihrer ersten Begegnung geschildert hatte.
«Di immortales, Eure Zunge ist noch immer so spitz wie früher, Ilacomylus. Und falls es Euch trotz aller Eurer Träumereien noch interessiert – ich bin soeben erst eingetroffen und, wie Ihr Euch denken könnt, etwas müde. Aber nur etwas.»
«Ich weiß, Ihr seid stark wie ein Bär und ausdauernd wie ein Luchs!» Waldseemüller klopfte Philesius kräftig auf die Schulter. Das hatte einen erneuten Hustenanfall zur Folge.
Martin Waldseemüller wusste inzwischen, dass der Freund es hasste, auf diese Hustenanfälle angesprochen zu werden. «Ihr solltet Euch ausruhen», erklärte er deshalb nur.
Doch Matthias Ringmann hatte andere Pläne: «Madame Grüninger schickt mich, ich soll Euch zum Essen holen. Als ich meine Bagage in die Kammer brachte, da passte sie mich ab. Madame Grüninger widerspricht man nicht. Also bin ich hier. Und so muss ich die Geschichte meiner Reise nicht zehnmal erzählen, sondern nur einmal am Esstisch. Außerdem gibt es saure Lunge. Mein Lieblingsessen.» Martin Waldseemüller hätte Ringmann für dessen Selbstironie am liebsten noch einmal umarmt. Doch er unterließ es. Der Freund mochte keine Überschwänglichkeiten. Es sei denn vom weiblichen Geschlecht.
Ringmann schien seine Gedanken lesen zu können. «Kommt, lasst uns gehen», forderte er ihn auf, bereits im Hinausgehen begriffen. «Ach, übrigens, Eure Marie ist mit ihrem Gatten ebenfalls anwesend», erklärte er nach einer kurzen Pause und wandte sich zum Gehen.
«Sie ist nicht meine Marie, wie kommt Ihr überhaupt darauf?», knurrte Waldseemüller in seinen Rücken hinein.
Philesius lachte. «Ich erkenne einen verliebten Gockel, wenn ich einen sehe. Ich war selbst oft genug in diesem Zustand. Also, vielleicht solltet Ihr es vermeiden, wieder Glubschaugen wie ein geiler Bock zu bekommen, mein lieber Ilacomylus.»
«Ich habe keine Glubschaugen und mache auch keine», protestierte dieser betont pathetisch. «Schließlich bin ich Magister der Theologie und Gelehrter, also ein Mann mit einer gewissen Würde. Kein Bock. Meine Augen glubschen nicht.»
«Ach so, ein Mann von Würde, ich vergaß.» Das gemeinsame Lachen tat beiden gut. Waldseemüller stellte fest, dass er den Freund mehr vermisst hatte als gedacht. Obwohl sie sich eigentlich noch nicht so lange kannten. Ringmann erging es ähnlich.
Jean Grüninger wartete schon auf sie. Er wirkte bedrückt. «Da seid Ihr ja endlich. Meine Hausfrau zieht schon ein recht unzufriedenes Gesicht, weil ihre Pastete bereits zu lange im Ofen ist und zu misslingen droht.» Der lockere Tonfall gelang ihm heute nicht so recht, wirkte aufgesetzt. Der Drucker schien etwas auf dem Herzen zu haben. Doch aus irgendeinem Grund wollte er nicht damit herausrücken. Vielleicht noch nicht. Waldseemüller hatte ihn inzwischen gut genug kennengelernt, um zu wissen, dass dieser Mann sich nicht so schnell Sorgen machte. Es musste etwas Ernstes sein.
Im Gegensatz zu ihrem Mann wirkte Babette Grüninger völlig unbeschwert. Sie zog keineswegs ein mürrisches Gesicht, als sie mit der dampfenden Pastete in den Raum kam, gefolgt von einer Dienstmagd, die Fladenbrot und eine Suppenterrine, der ein köstlicher Duft entströmte, auf einem Tablett vor sich her trug. In der Küche führte Madame Grüninger das Regiment, auch wenn es für eine Bürgersfrau ihres Standes eigentlich nicht üblich war, den Kochlöffel zu schwingen. Aber wie ihr Mann war sie den guten Dingen des Lebens zu sehr zugetan, um eine solch wichtige Angelegenheit wie eine Mahlzeit fremden Händen anzuvertrauen.
Es war ihr anzusehen, dass sie auch selbst gerne aß. Sie machte sich nichts daraus. Sie war ebenso rundlich wie ihr Gatte, aber ein ganzes Stück kleiner. Dennoch bewegte sie sich behände, fast anmutig angesichts ihrer Körperfülle. Durch die Hitze in der Küche hatte sie feuerrote Wangen und eine Strähne hing ihr aus dem ansonsten fest um den Kopf gewundenen, geflochtenen Haarkranz, über den sie – um die Gäste zu ehren – noch schnell eine Haube gestülpt hatte. Diese saß etwas schief. Ihr Oberkleid aus blauem Samt wies einen kleinen Fleck unterhalb der linken Brust auf. Martin Waldseemüller hätte sie dafür küssen mögen.
Diese fröhliche Frau, ein Mensch voller Lebenslust und Sinn für Schönheit, war die ideale Ergänzung zu Jean Grüninger. Und sie schaffte es

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