Der Kartograph
einfach immer wieder, dass sich jedermann in ihrer Umgebung wohl fühlte. Die Straßburger hatten nichts von der manchmal fast lähmenden Steifheit mancher Basler. Basel war eine prüde Stadt, eine, die offenherzig erschien und doch die Grenzen eng zog, in der es schon fast ungehörig war, zwischen Eheleuten Liebe zu zeigen. Jean Grüninger hatte damit jedoch keineswegs ein Problem. Er zwickte seine Frau kräftig in den runden Hintern, als sie mit der Pastete an ihm vorbei marschierte. Sie quietschte, wurde feuerrot wie ein junges Mädchen: «Jean Grüninger, benehmt Euch. Eine solche Frechheit geziemt sich nicht gegenüber einem treu sorgenden Eheweib.»
Mit diesem Worten zwinkerte sie ihm verliebt zu. Der Gescholtene lachte dröhnend. Doch dann streifte sein Blick Martin Waldseemüller und seine Miene wurde wieder ernst.
Babette Grüninger hatte noch eine Eigenschaft, die ihr Mann besonders schätzte. Sie konnte zuhören. Aber wenn sie sprach, dann nahm sie kein Blatt vor den Mund.
So war es auch an diesem Abend. Sie wartete jedoch, bis ihr Mann, die beiden Söhne Bartholomäus und Christoph, sowie der Maler Hans Baldung Grien, der als Graveur in Grüningers Werkstatt arbeitete, und Gervaise Sopher, der neben Matthias Ringmann als Lektor in der Druckerei tätig war, zufrieden und satt auf ihren Stühlen saßen. Bei den Grüningers gab es immer Gäste zu den Mahlzeiten. Die Runde war sogar recht klein an diesem Tag. Martin Waldseemüller war sich der Gegenwart Maries sehr bewusst. Sein ganzer Körper erinnerte sich an sie. Er hatte alle Mühe, sich zu beherrschen und sie nicht immer anzustarren. So beschäftigte er sich angelegentlich mit dem Essen, machte der Hausfrau ein Kompliment nach dem anderen.
Babette hatte Martin Waldseemüller den ganzen Abend über genau beobachtet. Und dann ihre Entscheidung gefällt. Sie hatte sich entschlossen, diesem Mann zu trauen. Sie mochte ihn. Er war zwar etwas schüchtern, was vielleicht seiner mangelnden Erfahrung mit Frauen zuzuschreiben war, doch genau das weckte ihre mütterlichen Instinkte. Natürlich hatte sie von seiner unglücklichen Liebe zu ihrer Nichte Marie Wind bekommen. Doch Martin Waldseemüller war für sie der Inbegriff des Ritters, der seine Liebste aus der Ferne anbetet. Sie liebte solche Geschichten, auch wenn sie mit dem provozierenden Verhalten ihrer Nichte keineswegs einverstanden war. Dass die Romanze in einer glühenden Liebesnacht gemündet hatte, hätte sie im Traum nicht vermutet. Babette Grüninger glaubte an das Gute im Menschen. Zumindest bis zum Beweis des Gegenteils.
Und sie war eine Frau mit Instinkt. Genau dieser Instinkt schlug jetzt Alarm. Über diesem Mann braute sich etwas zusammen, eine diffuse Bedrohung, die schwer zu greifen war. Eine Gefahr, die vielleicht auch ihrer Familie Unheil bringen konnte. An diesem Punkt endete für Babette Grüninger jegliche Bereitschaft zur Toleranz. Sobald sie das Gefühl hatte, ihre Familie werde bedroht, wurde sie zur Löwin. Es war klar, dass sie mit Ilacomylus reden mussten. Ihr Mann hatte vergeblich versucht, sie von dieser Meinung abzubringen.
«Was wollen diese Männer von Euch? Seit Tagen lungern sie nun vor unserem Haus herum, streichen um die Ecken, machen die Nachbarn und unsere Dienstboten nervös.»
Martin Waldseemüller starrte seine Gastgeber völlig verblüfft an. Matthias Ringmann war offensichtlich beunruhigt, schwieg aber.
«Weiber! Sie fürchten sich sogar vor ihrem eigenen Schatten!», der Versuch von Jean Grüninger, die plötzlich angespannte Situation aufzulockern, scheiterte.
Babette Grüninger ließ sich nicht zurückhalten. « Ich meine die beiden Männer, die eine Woche nach Eurem Auftauchen plötzlich ständig in der Nähe des Hauses unserer Druckerei gesehen wurden. Zunächst dachte ich ja, unsere neue Dienstmagd hätte sich gleich zwei Liebhaber angeschafft. Doch sie hat es entschieden abgestritten, und ich glaube ihr. Auch niemand sonst kennt diese Männer. Mein Mann hat sich überall nach ihnen erkundigt. Keiner wusste etwas. Ich werde den Verdacht nicht los, dass sie etwas mit Euch zu tun haben.»
«Wo sind diese Männer?», in Martin Waldseemüller keimte ebenfalls ein Verdacht.
«Kommt, ich zeige sie Euch.» Jean Grüninger schob den geschnitzten Eichenstuhl nach hinten und ging zum Fenster. Dort zog er den schweren Vorhang vorsichtig zur Seite. «Seht Ihr, dort bei der Hirsch-Apotheke steht einer, dort im Schatten, wegen seiner dunklen Kleidung kaum auszumachen. Den
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