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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Amerigo Vespucci mehr geschrieben hat, als veröffentlicht wurde. Jedenfalls musste ich mich am Ende geschlagen geben. Meine Mittel waren aufgebraucht.»
Um Martin Waldseemüllers Mund lag ein bitterer Zug. Er schaute auf seine Schuhe. «Ich könnte neue brauchen», schoss es ihm durch den Kopf. Dann sammelte er sich. In der Stunde einer seiner größten Enttäuschungen dachte er an neue Schuhe! Er begriff sich selbst nicht mehr. Er hatte alle Mühe, nicht in Tränen auszubrechen.
Philesius sah den verdächtigen Schimmer in den braunen Augen des Freundes. Sie wirkten dadurch noch dunkler. Doch irgendwo in diesem Dunkel bildete sich ein Funkeln, eine Entschlossenheit, so hart wie eine gut geschmiedete Damaszener Klinge. «Nun, dann werde ich diese Dokumente eben auf andere Weise bekommen. Sie werden mich nicht aufhalten. Verzeiht mir, dass ich Euch so viel Mühe gemacht und solche Kosten verursacht habe.»
«Mein werter Ilacomylus, es war die Mühe auf jeden Fall wert. Ich kann eine kleine Edition der Papiere herausbringen, die ich mitgebracht habe. Der Verkauf wird die Kosten mehr als ausgleichen, Grüninger streckt mir die erforderlichen Mittel vor. Ich habe bereits mit ihm verhandelt. In weniger als einem Monat haben wir den Druck fertig. Aber seid Ihr Euch auch sicher, dass Ihr diesen Weg weitergehen wollt? Es könnte gefährlich werden. Oder besser, es ist schon gefährlich. Es gibt leichtere Arten, berühmt zu werden. Schaut Euch Meister Grüninger an. Er hatte die geniale Idee, sich der Druckkunst zu widmen, ein Werk nach dem anderen verlässt sein Haus. Gut, manche sind voller Fehler, aber er macht trotzdem ein Vermögen. Und die Bilder, die sind wirklich gut. Auch wenn sie sehr oft eigentlich nichts mit dem Text zu tun haben. Ich bin übrigens gespannt, wofür er Eure Nemesis verwenden wird. Sie ist hervorragend. Er hat sie mir gezeigt. Warum wollt Ihr nicht bei solchen Bildern bleiben? Muss es denn unbedingt die Welt sein? Ihr seid ein Künstler mit dem Schnitzmesser, Ilacomylus. Mit Holz könnt Ihr offenbar sehr viel besser umgehen als mit den Frauen. Von unserer Frau Babette einmal abgesehen. Ach ja, und einer gewissen Margarete Amerbach, wie ich hörte.»
«Margarete Amerbach? Was soll das jetzt?»
«Wusstet Ihr das nicht? Ich habe gehört, sie hofft auf ein Zeichen von Euch. Und auch der alte Amerbach scheint einem Mann als Schwiegersohn nicht abgeneigt zu sein, der sich so gut in der Druckkunst auskennt wie Ihr. Ihr könntet eine schlechtere Partie machen. Als Amerbachs Schwiegersohn wärt Ihr in Basel außerdem wieder sicher.»
Vor Waldseemüller erschien das Bild eines schüchternen, mageren Mädchens, das kaum ein Wort geäußert hatte. Neben Marie wirkte sie völlig bedeutungslos, ein Schatten neben einer strahlenden Sonne. Er konnte sich kaum noch an ihre Züge erinnern, nur an ein streng und züchtig gekleidetes Etwas. Er hatte niemals an sie gedacht wie an eine Frau. Schon gar nicht wie an eine mögliche Ehefrau.
«Ich werde niemals heiraten, mein Herz gehört Gott und der Wissenschaft, keiner Frau.» Martin Waldseemüller konnte nicht verhindern, dass sich die Bitterkeit in seine Stimme schlich.
«Das wäre aber schade für die Damenwelt», versuchte Matthias Ringmann zu scherzen. Er hätte dieser Marie Grüninger den Hals umdrehen können. Sie hatte dem Freund das Herz gebrochen. Vielleicht konnte ein so leidenschaftlicher Mann wie Ilacomylus auch nur eine Liebe haben, nur einen Traum. Er hatte sich der Wissenschaft verschrieben. Sein Ziel, sein großer Traum war es, eine neue Karte des Weges in die neue Welt zu schaffen.
«Männer wie Ihr haben die Welt verändert», sagte er nachdenklich. Dann schmunzelte er. «Aber schade ist es doch. Die Liebe kann sehr angenehm sein, wenn man sie nicht allzu ernst nimmt. Und was Eure vermaledeite Seekarte anbetrifft, so werden wir eben wirklich eine andere Möglichkeit finden müssen, sie zu verwirklichen.»
«Ihr bleibt an meiner Seite?»
Ringmann musterte den Freund schon fast gekränkt – ich habe mir Euretwegen ganze Wagenladungen voll Abfuhren und Ausreden eingehandelt. Glaubt Ihr wirklich, dass ich jetzt aufgebe? Ich weiß auch nicht wie, aber wir werden einen Weg finden. Grüninger hat nicht übertrieben, als er sagte, dass er gute Beziehungen hat. Und dann wären da auch noch unsere Freunde Gregor Reisch, Wimpfeling, Brant. Sie alle halten viel von Euch. Reisch hat geradezu Lobeshymnen auf Euch gesungen. Sebastian Brant und Jakob Wimpfeling waren

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