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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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anderen kann ich gerade nicht entdecken.»
Martin Waldseemüller musste nur einmal kurz hinschauen, um zu begreifen. Die Häscher aus Basel hatten ihn gefunden. Noch wagten sie es nicht, aber es war wohl nur eine Frage der Zeit, wann sie sich seiner bemächtigen und ihn der Gerichtsbarkeit überantworten würden. In den Augen der Basler musste er ja schuldig sein. Seine Flucht wirkte auf jeden Außenstehenden wie ein Schuldeingeständnis.
«Kann ich Euch alleine sprechen?»
Jean Grüninger nickte. «Babette, meine Liebe, bringt doch derweil noch etwas Wein und Bier. Wir sind bald zurück. Dieser junge Mann hier und ich haben etwas zu bereden.»
Babette Grüninger nickte. Doch der Blick, den sie ihrem Gatten zuwarf, machte klar, dass er ihr später alles bis ins Letzte würde erzählen müssen. Grüninger nickte fast unmerklich zurück.
«Es wäre mir sehr recht, wenn Philesius mit uns kommen könnte», bat Martin Waldseemüller. «Er kann Euch die Angelegenheit vielleicht noch besser schildern als ich.» Er schaute bittend zu Matthias Ringmann, glücklich, dass dieser zurückgekommen war. Gerade in einem solchen Moment konnte er sich auf den Freund verlassen, das wusste er. Philesius war in der Lage, diese ganze unangenehme Geschichte wesentlich unvoreingenommener zu schildern als er selbst. Außerdem kannten Grüninger und er sich gut. Der alte Grüninger vertraute dem jungen Gelehrten, den er sich da als Lektor in seine Druckerei geholt hatte – zu schon fast ausbeuterischen Konditionen. Ringmann war ständig klamm, er brauchte die Arbeit dringend.
«Gut, also. Worum geht es hier?»
Jean Grüninger unterbrach Philesius kein einziges Mal, als dieser ihm die Geschichte erneut erzählte, viel ausführlicher als Martin Waldseemüller beim ersten Mal. Danach stellte er eine Frage nach der anderen, interessierte sich für jedes noch so kleine Detail. Am Ende musterte der Drucker Martin Waldseemüller einige Augenblicke stumm, dann kehrte das Lächeln in seine Augen zurück. Er nickte bedächtig und strich sich über den nicht unerheblichen Bauch. «Ich glaube Euch. Und ich denke, ich kann etwas für Euch tun. Jean Grüninger gilt etwas in dieser Stadt, auch wenn er einst in Markgröningen in Württemberg geboren worden ist. Meine Beziehungen zu den Obrigkeiten sind nicht die schlechtesten. Und auch in der Kooperation der Stelze – die Gilde, zu der neben den Druckern auch die Goldschmiede gehören – bin ich nicht ohne Einfluss. Da wäre es doch gelacht, wenn wir diese Männer nicht vertreiben könnten, die den Straßburgern in ihre Gastfreundschaft hineinpfuschen wollen. Diese Suppe werden wir ihnen versalzen. Basler Häscher haben in dieser Stadt nichts zu suchen. Wir sind in der Lage, unsere Gerechtigkeit selbst in die Hand zu nehmen.»
Danach sprach im Hause der Grüningers mit Martin Waldseemüller niemand mehr über diese Männer. Meister Jean Grüninger hatte sein Urteil gefällt. Das galt. Nicht nur in seinem eigenen Haus, auch in der Stadt, die er zu seiner Heimat gemacht hatte.
Gleich am nächsten Tag wartete jedoch eine große Enttäuschung auf Martin Waldseemüller. Außer diesem kleinen Auszug aus den so genannten Soderini-Briefen, die Piero Soderini, der Regent von Venedig, angeblich auf der Grundlage von Vespuccis Quatuor navigationes , den vier Reisen, herausgegeben hatte, war Ringmann an keine weiteren Papiere oder Original-Schriften des florentinischen Seefahrers mehr gekommen. Überall hatten ihm die Menschen anfangs mit großer Freundlichkeit zugehört, als er sein Anliegen schilderte. Sobald er dann aber erklärte, wofür er die Manuskripte benötigte – für eine «kleine Komposition», eine Seekarte, die jene Regionen des Globus zeigen sollte, die neu entdeckt worden waren – endete jegliches Entgegenkommen. Spätestens an diesem Punkt hatten sich die lächelnden Gesichter in verschlossene Mienen verwandelt.
Natürlich versprach jeder wortreich, sein Bestes zu tun. Der Verwalter der florentinischen Besitzungen von Giovanni de’ Medici ebenso wie der Sekretär des Bankhauses der Medici und der Diener Soderinis. Sie überboten sich auch weiterhin in Höflichkeiten. «Leider, nein, der Herr weile im Moment nicht in Florenz, sei beschäftigt, er bitte vielmals um Entschuldigung, habe in dringenden Angelegenheiten eine Sitzung einberufen müssen.»
«Sie wollen nicht, dass Ihr die Originale bekommt, mein Freund. Da ist eine Wand, durch die ich nicht hindurchkam. Ich bin inzwischen überzeugt, dass

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