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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Jahr, als Kolumbus zu seiner ersten Reise aufbrach, hat Behaim seinen Globus vorgestellt. Er hat einen Dreifuß auf einen Sockel gesetzt, und – gehalten von zwei Holzkreisen – eine bewegliche Kugel. Darauf hat er die Welt gemalt.»
«Und jedermann hat ihn ausgelacht», grinste Nicolas Lud. «Doch uns wird niemand auslachen.» Dann zögerte er. «Wir können unmöglich Hunderte von Holzkugeln bemalen. Denn wenn wir so etwas machen, dann gehört zu jeder Karte neben der Introductio auch ein solcher Globus. Man müsste drucken können …»
«Natürlich! Nicolas, mein Neffe, du bist ein Genie», Lud packte seinen etwas kleineren Verwandten und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. «Wir liefern keinen fertigen Globus, sondern zerlegen die Welt in Segmente, so dass jeder, der dies möchte, sich selbst seinen Globus damit bekleben kann. Damit würde die große Leistung unseres Ilacomylus noch sehr viel anschaulicher. Und wir haben zwar keinen Ptolemäus, aber dennoch ein Abbild der Welt.»
«Und die Perspektive! Endlich wäre das Problem der Perspektive gelöst! Ich könnte – ja, wenn ich den Holzschnitt für zwölf Segmente schnitzen würde. Wartet, sie müssten aussehen wie Schiffchen, die hinten und vorne zusammenlaufen. Zusammengesetzt ergeben sie dann eine Kugel. Man müsste sie dann einfach auf eine Holzkugel oder einen Papierball kleben. Das kann jedes Kind. Der Globus von Saint-Dié sollte einen handlichen Durchmesser haben, auch handlicher sein als die Karte, vielleicht gerade so, dass zwei große Männerhände ihn umfassen können. Dann hätte der jeweilige Besitzer keine Probleme, ihn mit auf Reisen zu nehmen, hätte einen Anhaltspunkt, während die genauere Karte in seinem Kontor an der Wand hängen bleiben könnte. Bei dieser Größe müsste ich die Darstellung der Welt allerdings ein wenig vereinfachen, trotzdem, wenn ich …»
Martin Waldseemüller war so begeistert, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie er während dieser Rede vor den beiden anderen hin- und herspaziert war, wild gestikulierend und schließlich die Hände in die Luft werfend. Erschrocken brach er ab. Es war plötzlich so still, den beiden anderen schien es die Sprache verschlagen zu haben.
Onkel und Neffe saßen auf der Bank und strahlten. In ihren Augen glitzerte dieselbe Begeisterung wie in seinen. Gauthier Lud erhob sich als erster. «Vielleicht sind wir ja größenwahnsinnig. Aber wir werden es schaffen. Euer Enthusiasmus ist ansteckend, Ilacomylus.» «Fürwahr, das ist er», bestätigte Nicolas Lud.
Gauthier Lud rieb sich die nicht gerade kleine Nase. Jedenfalls war sie das hervorstechendste Merkmal in seinem Gesicht. Von den aufmerksamen grauen Augen einmal abgesehen, die viel mehr zu sehen schienen, als er preisgab. «Sie juckt», erklärte er. «Und wenn meine Nase juckt, dann winkt ein gutes Geschäft. Tausend Exemplare. Wir werden von allem tausend Exemplare herstellen.»
«Das ist unglaublich viel, Onkel», widersprach Nicolas Lud. «Ihr geht ein großes Risiko ein für eine Druckerei, die noch nicht einmal fertig gestellt ist.»
«Du wirst sehen, sie werden uns die Karte, die Introductio und die Globensegmente aus den Händen reißen! Die Waldseemüller-Karte, die Segmente und die Introductio Ringmanns werden der neuen officina libraria von Saint-Dié einen prächtigen Einstand verschaffen.»
Ehe Martin Waldseemüller reagieren konnte, hatten ihn die beiden Männer gepackt. Zu dritt führten sie mitten auf dem Hof des Kreuzgangs des ehrwürdigen Kapitels eine Art Veitstanz auf.
Jean Basin beobachtete sie, sah, wie sie lachten, sich gegenseitig auf die Schulter klopften. «Di immortales, das ist großartig, wir werden es schaffen», hörte er Nicolas Lud rufen. Und sein Onkel, der sonst so besonnene Gauthier Lud, beteiligte sich an diesem wilden Geschrei, als wäre er ein unvernünftiger Knabe. Sie taten ja gerade so, als hätten sie die neue Welt selbst entdeckt. Die Falte über seiner Nase wurde steiler. Es war einfach widerwärtig, wie sich dieser Waldseemüller anbiederte.
Gauthier Lud war der Erste, der innehielt. «Angesichts der Umstände wäre es wohl besser, wir behielten unsere Pläne für uns. Selbst wenn uns jemand mit einer Karte zuvorkommen sollte, wird es uns mit dem neuen Globus gelingen, ihn zu übertrumpfen. So etwas hat die Welt noch nicht gesehen. Ein Globus, den sich jedermann selbst herstellen kann. Wer hat jemals davon gehört?»
«Ja, und dann gehört die Welt endlich allen!», ergänzte Martin

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