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Der Kartograph

Der Kartograph

Titel: Der Kartograph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Ehefrau. Warum also nicht? Sie gehörte nicht zu den Frauen, die sich Illusionen darüber machten, dass sie sich verkauften, um ein sicheres Auskommen zu haben. Eine andere Möglichkeit als eine vorteilhafte Ehe gab es für eine Frau nicht, um gesellschaftlich aufzusteigen. Und Marie Schott, geborene Grüninger, wollte nach oben. Ganz nach oben. Ihr hübsches Gesicht würde nicht ewig halten, irgendwann würde auch sie verhunzelt und faltig aussehen. Bis dahin musste sie es geschafft haben. Wieso blieb einer Frau nur immer so wenig Zeit für das Erreichen ihrer Ziele?
    Sie spürte das Ungeborene in ihrem Bauch. Sie hasste es schon jetzt. Es war der ungünstigste Moment, um sich mit einem Balg zu belasten. Außerdem verunstaltete es ihren Körper. Aber gut, sie musste das Beste daraus machen. Martin Waldseemüller würde dahinschmelzen und sofort um ihre Hand anhalten, wenn sie ihm erzählte, dass das Kind von ihm war. Sie machte sich nicht die mindesten Gedanken darüber, dass sie ja bereits verheiratet war. Das würde sich finden. Es gab für eine Frau mit Fantasie immer Wege, einen überflüssigen Ehemann loszuwerden. Es würde schon reichen, Schott zu erklären, dass er nicht der Erzeuger des Kindes war, auf das er sich so unmäßig freute. Ehrlich gesagt, sie hatte keine Ahnung, wer ihr das Kind gemacht hatte. Es konnte von Ringmann sein, von Waldseemüller oder von Schott. Woher sollte sie das wissen? Sie konnte ja niemanden fragen. Sie würde sich jedenfalls den Vater aussuchen, der ihr am besten zupass kam. Und das war momentan ohne Zweifel Martin Waldseemüller.
    «So, ich muss jetzt gehen», erklärte sie knapp und warf ihrem Liebhaber eine Kusshand zu. Dann war sie auch schon zur Türe hinaus.
    Matthias Ringmann sah ihr nach. Wieder quälte ihn das schlechte Gewissen. Für den Moment war er erleichtert, dass sie draußen war. Doch er wusste genau, beim nächsten Mal würde er ihren Reizen wieder erliegen. Bei Gott, wie er sich dafür hasste. Er konnte Martin Waldseemüller einfach nicht unter die Augen treten. Erst musste er sich aus dieser unseligen Verstrickung befreien, von dieser Frau loskommen. Denn eines würde er mit Sicherheit nicht tun. Sie nach Saint-Dié mitnehmen. Er ahnte nicht, dass Marie Schott noch andere Möglichkeiten hatte.
    Martin Waldseemüller war zutiefst enttäuscht, als er das Antwortschreiben von Philesius schließlich in Händen hielt.
    «Lieber Freund, werter Ilacomylus, zu meinem großen Leidwesen werde ich weiter hier in Straßburg aufgehalten. Jean Grüninger beschäftigt mich pausenlos. Zurzeit bin ich damit befasst, die Werke des Julius Cäsar auf Deutsch zu übersetzen, was nicht gerade eine leichte Aufgabe darstellt. Doch sobald ihr die Quatuor navigationes habt, schickt mir eine Abschrift. Ich kann ja auch schon hier in Straßburg damit beginnen, die Introductio zu Deiner Karte zu verfassen. Vielleicht hast Du auch Gelegenheit, mich wieder einmal hier aufzusuchen, dann könnten wir unser gemeinsames Projekt besprechen. Verzeih, mein Freund, so gerne ich es auch wollte: Ich schaffe es bei all der Arbeit im Moment einfach nicht, über die Vogesen zu reisen. Dennoch werde ich Dich nicht im Stich lassen. Das Versprechen gilt.
Dein Dir in unverbrüchlicher Freundschaft verbundener Philesius»
    Noch ein anderer war enttäuscht: Gauthier Lud. Pélerin hatte ihm einen bedauernden Brief geschrieben, erneut mitgeteilt, dass er zurzeit nicht an die Originalausgabe des Ptolemäus komme. Im hintersten Winkel seines Herzens hatte Lud wohl doch noch gehofft, dass Viator sie schicken würde. Das musste er sich eingestehen, nachdem er das Schreiben gelesen hatte. Sein Bekannter habe die Handschrift einfach weiter verliehen und ihm zunächst eine Abschrift geschickt, teilte Pélerin ihm mit. Diese leite er nun an den Freund in Saint-Dié weiter in der Hoffnung, damit dienlich gewesen zu sein. Die Abschrift war schlampig und schlecht. Sie war nicht zu gebrauchen.
    Damit begann die Suche nach einem originalgetreuen Manuskript der ptolemäischen Geographia erneut. Martin Waldseemüller schrieb an seinen Onkel in Basel. Einmal, um ihm endlich mitzuteilen, wo er nun lebte und dass es ihm gut ging. Außerdem bat er ihn darum, sich umzuhören und herauszufinden, wer noch etwas von einer möglichst originalgetreuen ptolemäischen Handschrift wissen, vielleicht sogar eines der seltenen Werke besitzen könnte. Als Drucker pflegte er weitreichende Verbindungen und gute Kontakte in halb Europa. Er

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