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Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells

Titel: Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harvell
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sein!
Das kleinste Knarren und eure Köpfe werden rollen!« Die drei Männer schlichen
gemeinsam umher, als wären ihre Füße mit Ketten verbunden. Um elf Uhr erschien
die deutsche Theatertruppe. Sie probte eine Stunde lang, und die ersten zwanzig
Minuten durfte ich im Ochsenpferch sitzen und zusehen, aber die Szenen riefen
bei mir ein so tränenreiches Gelächter hervor, dass der mürrische Regisseur
mich anfuhr: »Fort mit ihm! Und komme er nicht zurück, bis er gelernt hat,
still zu sein.«
    Um zwölf traf die französische
Theatertruppe ein, und ihre lauten Stimmen unterbrachen die Probe. Mir schien
ihr Spiel eine langweilige Angelegenheit zu sein, und ich denke, dass diese
Einschätzung dieselbe gewesen wäre, hätte ich ihre Sprache verstanden. Um eins
wurde die Bühne von Angiolinis Ballett übernommen, das wunderbar war, wie mir
meine flüchtigen Einblicke verrieten. Ich hätte ewig zusehen können, wenn
Angiolini seine Tänzer nur nicht bei jedem zweiten Schritt angehalten hätte, um
sie in seinem schönen Italienisch zu beschimpfen.
    Tasso war nirgendwo zu sehen, aber
wenn sie »Beleuchtung!« riefen, erhob sich der Aufzug mit dem Rampenlicht wie
die aufgehende Sonne. »Vorhang!« – und der Vorhang schloss sich wie von
Zauberhand. Ich sah meinen neuen Freund erst wieder, als um drei die großen
Männer des Wiener Theaters eintrafen und Tassos Kopf in einer Versenkung
auftauchte, um den Herren zuzunicken, die ich vom Abend vorher kannte. Dann war
Tasso verschwunden, und ich hörte nur das leise Flüstern der Seile unter der
Bühne. Durazzo, Gluck und Calzabigi nickten und rieben sich das Kinn, als
Quaglio rief: »Gut, jetzt bitte Griechenland.« »Die Höhlen. Die Höhlen!« »Die
Felder! Beeilung, Mann. Du kannst diese bedeutenden Herrschaften nicht warten
lassen.« Die Szenen wechselten reibungslos, ohne jedes Quietschen. Die
bedeutenden Herrschaften betrachteten jeden Schauplatz mit gerunzelter Stirn,
während ihre Daumen weiße Dellen in ihrem Kinn hinterließen. Jeder von ihnen
war darauf bedacht, etwas zu finden, das ihm nicht behagte. Quaglio versprach
Änderungen.
    Um vier schließlich erschien Guadagni.
Ich sprang auf, um ihn zu begrüßen, aber er stolzierte an mir und den anderen
vorbei; er hatte nur Augen für die Bühne.
    »Ja«, murmelte er, als Tasso die roten
Lichter über den Höhlen in die Höhe gezogen hatte. »Hmm. Ja.« Dann schloss er
die Augen, und wir sahen alle zu, wie er sich im Mittelgang vor und zurück
wiegte, als ob er vor seinem geistigen Auge ein Bild dieser zukünftigen Oper
erstehen ließe. Er öffnete die Augen und nickte, und die anderen Männer nickten
zur Erwiderung. Dann erklomm er die Bühne und lief mehrmals im Kreis herum. Er
schwenkte die Hand zu einer Melodie in seinem Kopf, und die vier älteren Männer
summten befriedigt. »Jetzt die Felder«, befahl Guadagni. Ich hörte Tasso auf
der Unterbühne in aller Eile herumhuschen. Der Prospekt fiel, die neuen
Kulissen glitten an Ort und Stelle, das feurige Glühen wurde zur Abendsonne.
Guadagni drehte sich langsam um, dann schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er.
»Nein.«
    »Was ist verkehrt?«, fragte Quaglio,
ganz der unterwürfige Diener eines Fürsten.
    » Es ist verkehrt«, sagte Guadagni. Er machte eine Bewegung
mit der Hand und wandte sich von den schönen Malereien ab, als könne er nicht
ertragen, sie anzusehen.
    »Wie verkehrt?«, bat Quaglio und ging
auf die Bühne zu, aber Guadagni kam schnell herunter und schritt im Mittelgang
an Quaglio vorbei. Der Dekorationsmaler rief dem Sänger nach: »Wie ist es
verkehrt?«
    Guadagni blieb stehen, drehte sich
aber nicht um. Er schüttelte den Kopf. »Ich singe«, sagte er leise. Er sah über
die Schulter in Quaglios Richtung. »Ihr malt.«
    Guadagni ging auf den Ausgang zu.
Gluck rief ihm nach: »Aber möchtet Ihr nicht die anderen Bilder sehen –
Griechenland, den Tempel?«
    Guadagni ging weiter. »Nicht heute«,
sagte er ausdruckslos, »nicht heute.«
    »Aber wann dann?« Glucks Stimme klang
verzweifelt. »Die Zeit für Änderungen wird knapp!«
    Aber Guadagni schien die Frage nicht
zu hören. Er steuerte auf das Foyer zu. Ich trat aus dem Schatten und stellte
mich in seinen Weg. »Werdet Ihr nicht singen?«, fragte ich. Immer noch blieb er
nicht stehen, und ich musste zurückweichen, um einen Zusammenstoß zu
verhindern. Ich polterte gegen die Sitze und dann lief ich in die Tür. Einen
qualvollen Moment lang befürchtete ich, sein Angebot vom Vorabend sei

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