Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
dichtgehalten hatte. Ich war mir sicher gewesen, dass der Anrufbeantworter kollabieren würde vor lauter Glückwünschen zur Hochzeit und Beileidsbekundungen von Leuten, die bereits in den Hafen der Ehe eingelaufen waren und dort Schiffbruch erlitten hatten. Doch auf dem Band befand sich lediglich ein Anruf, und der war noch nicht einmal für mich, sondern für Lili bestimmt. Also war die »frohe Kunde« auch noch nicht bis zu meinen Eltern in die Eifel vorgedrungen. Eigentlich hätte ich erleichtert sein müssen, doch irgendwie fühlte ich mich auf einmal sterbenselend. Unglücklich. Verwirrt. Deprimiert. Und furchtbar einsam. Hin und her gerissen, ob ich diese Weltuntergangsstimmung dem Jetlag oder dem Kater zuschreiben sollte, ließ ich mich neben dem Anrufbeantworter auf den Boden sinken und begann, hemmungslos zu heulen. Wasser, marsch, marsch! So geflennt hatte ich nicht mehr, seit ich Jan zu seinem Harem in die Wüste geschickt hatte.
Alle fünf Minuten versuchte ich, Mareike anzurufen. Vergeblich. Zu Hause meldete sich nur ihr Anrufbeantworter, und auf ihrem Handy war sie auch nicht zu erreichen.
Gegen sieben klingelte es. In Rekordzeit sprintete ich zur Wohnungstür. Frau Kötter, die Zeugen Jehovas, ein Versicherungsvertreter – völlig egal. Mittlerweile befand ich mich in einer Verfassung, in der mir jede Form von menschlichem Zuspruch willkommen war.
Als ich die Tür öffnete, traute ich jedoch meinen Augen kaum.
»Überraschung!«, brüllten Mareike, Lili und Jenny im Chor.
Ehe ich mich’s versah, hatte ich erst die drei und dann ein Lebkuchenherz um den Hals hängen, auf dem mit weißem Zuckerguss »Just married« geschrieben stand.
»Du glaubst doch wohl nicht, dass wir dich klammheimlich heiraten lassen, ohne mit dir einen anständigen Junggesellinnenabschied zu feiern.«
»Quatschen könnt ihr später.« Jenny klatschte in die Hände. »Los jetzt, wir müssen uns sputen, die anderen werden sicher auch jeden Moment hier eintreffen.«
Völlig benommen sah ich zu, wie die Mädels Platten und Schüsseln, gefüllt mit allerhand Leckereien, herankarrten und auf dem Küchentisch zu einem kalten Büfett arrangierten.
Kurz darauf trudelten auch die übrigen Überraschungsgäste ein. In meiner Wohnung ging es zu wie im Tollhaus. Oder wie bei einer Tupperparty. Mareike, Lili und Jenny hatten wild herumtelefoniert und mehr als ein Dutzend Freundinnen und Bekannte von mir zusammengetrommelt. Was war ich gerührt! Sogar Brit und Miriam, mit denen ich gemeinsam meine Ausbildung gemacht hatte, waren gekommen.
»Da kann man ja direkt neidisch werden«, sagte Brit augenzwinkernd. »Ich hab gehört, dein Mann soll ein echter Traumtyp sein.«
Dank Jenny waren alle darüber im Bilde, was für eine »gute Partie« ich gemacht hatte.
Als ich glaubte, dass eigentlich niemand mehr fehlen könnte, schellte erneut die Türklingel.
»Hallihallo.« Eine quirlige Rothaarige mit grünen Katzenaugen und einer wilden Löwenmähne drückte mir ein Küsschen auf die Wange.
»Hallo …« Angestrengt überlegte ich, wo ich dieses raubtierhafte Geschöpf hinstecken sollte. Wir waren ungefähr im gleichen Alter. Hatten wir vielleicht zusammen die Schule besucht? Oder das gleiche Fitnessstudio? Ich hätte meine Vergesslichkeit auf das Wetter, meine Periode oder besser noch den Jetlag schieben können, doch ich wollte den hübschen Rotschopf nicht kränken. Wer hört schon gerne, dass er seinen lieben Mitmenschen nicht in Erinnerung geblieben ist? Ich beschloss, auf Zeit zu spielen. Nur die Ruhe, früher oder später würde sich der rettende Geistesblitz schon einstellen.
»Schön, dass du da bist. Komm doch rein!« Ich hätte wetten können, dass die Frau einen Namen hatte. Aber falls er mir bereits auf der Zunge lag, blieb er dort fürs Erste kleben.
»Wo kann ich mich denn ein bisschen frisch machen?«
Ich wies auf die Tür zum Badezimmer, dann gesellte ich mich wieder zu den anderen. Fieberhaft dachte ich nach. Wer war die Frau in meinem Bad? Manchmal hatte ich wirklich ein Gedächtnis wie ein Sieb, Namen und Gesichter plumpsten dort erfahrungsgemäß besonders gerne hindurch …
Als die Frau mit der flammend roten Mähne im Wohnzimmer auftauchte, war ich immer noch genauso schlau wie zuvor.
»Hallo zusammen! Ich bin Alex.« Selbstbewusst winkte sie in die Runde. Ich kannte keine Krankenschwester mit Namen Alex. Und überhaupt: Ich war mir ziemlich sicher, dass sie das weiße Kittelchen, das mehr schlecht als recht
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