Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
Aber jetzt konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen, oder?
An einer roten Ampel kontrollierte ich bestimmt schon zum hundertsten Mal, ob ich meinen Personalausweis eingepackt hatte. Jawohl, er war da, wo er hingehörte: in meiner großen Umhängetasche, wo sich auch eine Ersatzzahnbürste, ein frischer Slip, mein Lieblingsshirt, ein Reiseführer, ein Deoroller, ein Kamm, eine Magnumflasche Sonnenmilch sowie diverser anderer Kleinkram befand. Der Taxifahrer warf einen ungläubigen Blick auf dieses Sammelsurium. Was gab’s denn da so blöd zu glotzen? Schließlich sollte es gelegentlich vorkommen, dass ein Koffer an einem anderen Urlaubsziel landete als sein Besitzer. Man hörte das ja immer wieder. Ich jedenfalls war für alle Eventualitäten und Launen meines Reisegepäcks gerüstet.
Mareike und ich waren am Flughafen verabredet. Obwohl ich bereits zwanzig Minuten vor der vereinbarten Zeit am Treffpunkt in der Abflughalle eintraf, wurde ich bereits von meiner Freundin erwartet. Sie stürmte mir aufgeregt entgegen. »Gut, dass wir nicht mit dem Taxi nach Griechenland fahren. Laut Statistik, also laut Statistik …« Sie geriet ins Stottern und kicherte.
»Guten Morgen erst mal.« Ich versuchte meine Freundin zu umarmen, aber sie zappelte dabei so hin und her, dass ich mir um ein Haar einen rechten Schwinger eingefangen hätte. »Was ist los mit dir? Hast du nicht gut geschlafen?«, fragte ich argwöhnisch.
Mareike schien meine Frage gar nicht registriert zu haben. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders.
»Ja also, weißt du, die haben da so eine Untersuchung gemacht …« Für einen Moment verstummte sie, so als habe sie vergessen, was sie mir mitteilen wollte.
»Wovon redest du eigentlich?« Mareike kam mir gelinde gesagt ein bisschen überdreht vor. Klar, ich war auch aufgekratzt, aber bei ihr musste das Reisefieber schon weit über vierzig Grad gestiegen sein. Und ganz nüchtern war sie auch nicht mehr.
»Ach so, die Statistik … eine Statistik, das ist so eine Auswertung …«
»Mareike, ich weiß, was eine Statistik ist«, unterbrach ich sie. »Was ist denn nun damit?«
»Das wollte ich dir doch gerade erklären«, murrte sie gekränkt. »Wenn du mich nicht ständig unterbrechen würdest, wüsstest du längst, was ich dir sagen wollte.« Sie nestelte an ihrer Jacke herum. »Gut, also dann halt noch mal: Es ist viel wahrscheinlicher, bei einem Autounfall als bei einem Flugzeugabsturz ums Leben zu kommen.« Sie schaute mich so triumphierend an, als wäre diese Erkenntnis auf ihrem eigenen Mist gewachsen.
Entsetzt warf ich einen Blick auf die Uhr. Außer Karneval hatte ich meine Freundin vormittags noch nie angesäuselt erlebt. Dass sie unter Flugangst litt, war mir auch neu. Woher hätte ich das wissen sollen? Während der letzten Jahre hatten wir es gerade mal mit Ach und Krach geschafft, gemeinsam ein paar Tage in Holland zu verbringen. In die Luft gegangen war bei diesem Kurztrip nur einer: Christian, Mareikes Mann, der es ganz und gar nicht witzig gefunden hatte, dass sich seine Frau ohne ihn vergnügen wollte.
Allmählich machte ich mir ernsthaft Sorgen um Mareike. Wenn es hier überhaupt jemandem zugestanden hätte, hysterisch zu werden, dann ja wohl mir. Schließlich war ich der Schisshase von uns beiden. Aber soweit es das Fliegen betraf, dachte ich nüchtern und pragmatisch: Sollte der Vogel wie ein Stein vom Himmel fallen, würden wir auf der Stelle mausetot sein. Den Gedanken fand ich längst nicht so beängstigend wie die Vorstellung, verstümmelt aus einem Autowrack geborgen zu werden. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob Mareike mir in diesem Punkt zustimmte, und der Zeitpunkt, um das zu klären, war wohl gerade extrem ungünstig. Sie faselte schon wieder etwas von dieser vermaledeiten Unfallstatistik: »Die aufblasbaren Kissen vorne im Auto – Belinda, sag schnell, wie heißen noch mal diese komischen Ballons?«
»Airbags«, antwortete ich mechanisch.
»Richtig, Airbags heißen die Dinger. Jedenfalls sind Airbags auch nicht so sicher, wie man vielleicht denken könnte. Du wirst es nicht glauben, aber in dieser Statistik …«
Langsam reichte es mir!
»Hast du auch wirklich nichts zu Hause vergessen?«, unterbrach ich Mareike, um sie endlich auf andere Gedanken zu bringen. »Personalausweis, Geld, Sonnencreme, Reiseapotheke …?«
Mareike winkte ab. »Mach dir um mich mal keine Sorgen! Ich hab alles im Griff. Schau, ich hab’s genauso gemacht wie du. Das Wichtigste ist hier
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