Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
Augenschein zu nehmen.
Philipp Paul Groß war ein Typ, der nicht nur aufgrund seines Namens aus dem Rahmen fiel. Angestrengt überlegte ich, was ihn von den meisten Männern, die ich kannte, auf den ersten Blick unterschied.
Philipp wirkte irgendwie lässiger! Aber es war nicht diese coole Lässigkeit, die sich manche Typen wie einen fetten Bizeps mühevoll antrainieren, sondern das entspannte Auftreten eines Menschen, der innere Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Von der Körperhaltung bis hin zu seinem Äußeren – es gab nichts an Philipp, das unnatürlich oder gekünstelt gewirkt hätte.
Da waren zum Beispiel seine kurzen dunklen Haare, die wild und ungebändigt in alle Himmelsrichtungen abstanden. Der perfekte Strubbellook! Doch während andere Männer morgens stundenlang vorm Spiegel standen und sich allen möglichen Kleister in die Haare schmierten, damit ihre Frisur aussah, als wären sie eben erst aus dem Bett gekrabbelt, hätte ich wetten können, dass Philipps Haare tatsächlich nie einen Kamm zu Gesicht bekamen. Und trotz Dreitagebart wirkte mein neuer Nachbar keinesfalls ungepflegt. Eher ein bisschen verwegen. Lediglich die dunkelbraunen Bambiaugen, mit denen er meinen Blick offen erwiderte, wollten nicht so recht ins Bild passen.
»Sag mal, kennen wir uns nicht irgendwoher?«, unterbrach Philipp in diesem Moment meine kritische Musterung.
Offenbar verwechselte er mich mit jemandem, der ihm diesen Bockmist abkaufte! Also, ehrlich, etwas mehr Originalität hätte ich ihm schon zugetraut.
»Ich weiß, ich weiß, das klingt wie eine dumme Anmache.«
»Richtig«, bestätigte ich, ohne eine Miene zu verziehen.
»Aber da wir ja ohnehin schon im Gespräch sind und du mir gewissermaßen sogar freien Zutritt zu deiner Wohnung gewährt hast, glaubst du mir hoffentlich, dass das nicht einfach nur ein blöder Spruch gewesen ist. Ich meine es ernst. Irgendwie, irgendwo müssen wir uns schon mal begegnet sein. Ich vergesse nämlich nie eine Stimme.«
Stimme? Plötzlich machte es in meinem Kopf klick. »Wir treffen uns wohl immer beim Kofferpacken.« Mit dem Daumen wies ich durch die halb geöffnete Tür ins Schlafzimmer, wo mein Koffer mit gierig aufgerissenem Schlund darauf wartete, dass ich ihn weiter mit Reiseutensilien fütterte.
»Ach stimmt, jetzt hab ich’s wieder.« Philipp schlug sich vor die Stirn. »Du bist die nette Hörerin, die letzte Woche die Griechenlandreise gewonnen hat. Die Frohnatur aus dem Rheinland.«
»O Gott«, stöhnte ich. »Erinnere mich bloß nicht daran! Wenn ich mich das nächste Mal blamieren will, lauf ich gleich nackt über die Königsallee.« Ich erzählte ihm, wie Jenny mich erst zu dem Anruf überredet und dann auch noch am Radio herumgespielt hatte.
»Erstens fand ich dich überhaupt nicht peinlich«, log Philipp charmant, »und zweitens hat es sich echt gelohnt. Das Hotel, in dem ihr wohnen werdet, ist der absolute Wahnsinn. Luxus pur. Apropos, wer ist denn nun der liebste Mensch auf der Welt, der mitfahren darf? Dein Freund? Dein Mann?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin nicht verheiratet.« Über etwaige Freunde und Lebensabschnittsgefährten ließ ich ihn erst einmal im Ungewissen.
»Aber du hast Kinder.« Das klang nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung. Kinder! Man achte auf den Plural!
So weit war es also schon gekommen. Reflexartig zog ich in dem dünnen Sommerfummel meinen Bauch ein. Zugegeben, ein paar straffende Sit-ups hätten mir nicht geschadet, aber so schwabbelig, dass man mich gleich für eine Gebärmaschine halten musste, die die Kinder im Akkord auf die Welt brachte, war mein Bauch nun wirklich nicht.
»Keine Kinder«, antwortete ich schroff.
»Bist du dir sicher?«
»Ganz sicher. Glaub mir, ich hätte bemerkt, wenn ich Wehen oder ein Kind bekommen hätte.«
Philipp feixte. »Dann schneiderst du das Outfit wohl für dich selbst?« Er wies auf die Nähmaschine, neben der sieben rote Zipfelmützen und kleine Schürzen mit Obstapplikationen aufgereiht lagen. Eigentlich war ich gelernte Schneiderin. Als das Atelier, in dem ich gearbeitet hatte, Pleite gegangen war, hatte Markus gerade sein Geschäft eröffnet und mir bei NOMEN einen Job angeboten. Seitdem war die Näherei nur noch ein Hobby von mir.
»Meine Freundin Mareike ist Erzieherin«, erklärte ich Philipp. »Sie ist übrigens diejenige, die mich nach Griechenland begleiten wird. Und was die Zipfelmützen betrifft: Ich nähe die Kostüme für das Sommerfest des
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