Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
drin.« Dabei klopfte sie auf ihre Handtasche, die kaum größer war als ein Rittersport-Täfelchen.
Zweifelnd beäugte ich das winzige Täschchen und verglich es mit meiner prall gefüllten Umhängetasche, die fast aus den Nähten platzte. »Und du willst mir tatsächlich verklickern, dass da alles Notwendige reingepasst hat, ja?«
»Du glaubst mir nicht, stimmt’s?« Meine Freundin zog einen beleidigten Schmollmund. »Na gut, dann werde ich es dir halt beweisen.« Ehe ich sie daran hindern konnte, öffnete Mareike ihr Handtäschchen und kramte wild darin herum. »Lebenswichtig – ein kussfester Lippenstift!« Stolz präsentierte sie mir ein nigelnagelneues Exemplar, auf dem sogar noch das Preisschildchen klebte. »Ohne den sollte eine Frau nie das Haus, geschweige denn das Land verlassen.«
Aufgekratzt fuhr Mareike mit der Inventur ihrer Handtasche fort: »Portemonnaie, Personalausweis, Tempotaschentücher und … jetzt pass auf, jetzt kommt die Hauptsache. – Tatatataaa!« Mit einer schwungvollen Bewegung zog meine Freundin eine Reihe in Zellophan eingeschweißter Kondome aus der Tasche und schwenkte sie wie eine Trophäe übermütig durch die Gegend.
Bitte, lieber Gott, mach, dass ich träume!, betete ich. Oder dass der Flughafen jetzt sofort und auf der Stelle wegen einer Bombendrohung geräumt wird!
Vermutlich war es in der Abflughalle zu laut. Vielleicht war der liebe Gott aber auch gerade zu beschäftigt – auf jeden Fall erhörte er meinen Wunsch nicht.
Andere hingegen schenkten uns mehr Aufmerksamkeit, als mir lieb war. Eine Horde Jugendlicher, die mit etlichen Kilo Marschgepäck und Schlafsäcken auf dem Rücken zu einem Rucksackurlaub aufbrachen, johlte und machte schlüpfrige Bemerkungen. Einer der Jungs blinzelte Mareike im Vorübergehen anzüglich zu. »Sorry, Süße«, rief er, »unser Flieger geht gleich. Sonst jederzeit gerne.«
Rotzlümmel! Der Bengel war noch ganz grün hinter den Ohren. Wenn er sich körperlich betätigen will, dann soll er gefälligst an den Bundesjugendspielen teilnehmen!, dachte ich empört.
»Mareike, es reicht«, flehte ich meine Freundin an. »Steck sie bitte wieder weg!«
»Aber warum denn? Hey, was ist schon dabei? Ich hab bloß Kondome in der Handtasche. Keine Drogen oder Schusswaffen.« Aufgebracht stemmte sie die Hände in die Hüften. »In jedem zweiten Film treiben sie es wie die Karnickel, ja selbst im Vorabendprogramm werden schon nackte Titten gezeigt. Und trotzdem ist es den meisten Menschen weniger peinlich über ihre Verdauung als über Verhütung zu sprechen. Tut mir leid, ich versteh das nicht. Erklär mir das mal!«
»Nun, ich glaube …«
Hatte die rhetorische Frage eigentlich einen kleinen Bruder? Gab es ihn, den rhetorischen Imperativ? Falls nicht, so hatte Mareike ihn soeben erfunden. Sie erwartete nämlich gar keine Erklärung von mir, sondern fuhr fort, die Zellophanschlange mit den Kondomen wie ein Lasso durch die Luft zu wirbeln.
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass sich nach den jungen Wilden nun auch das Mittelalter für uns zu interessieren begann. Noch unschlüssig, ob sie es wagen sollten, uns anzusprechen, beobachteten zwei allein reisende Herren wie gebannt unser Treiben. Heiliger Strohsack! Wenn Mareike so weitermachte, würden wir schneller Anschluss finden, als uns lieb war.
»Nun gib schon endlich die Kondome her«, zischte ich zunehmend ärgerlicher.
»Mensch, Belinda, jetzt hab dich doch nicht so.« Im Gegensatz zu mir hatte Mareike sichtlich Spaß an unserer Kabbelei. »Wenn du die Lümmeltüten haben willst, musst du sie dir schon holen!« Grinsend hielt sie die Kondome über ihrem Kopf in die Höhe und hüpfte auf und ab. Als ich versuchte, ihr die Zellophanschlange mit Brachialgewalt zu entwinden, flogen die Verhüterlis plötzlich im hohen Bogen durch die Luft. Während ich hilflos zusah, schwirrten mir allerhand wirre Gedanken durch den Kopf.
Ich dachte: Mareike ist meine beste Freundin.
Ich dachte: Es ist schön, eine beste Freundin zu haben.
Ich dachte: Aber eigentlich reicht es auch, wenn man eine zweitbeste Freundin hat.
Die Kondome setzten zum Landeanflug an und gingen über dicht besiedeltem Gebiet zu Boden. Das wäre der perfekte Zeitpunkt gewesen, um sich still und leise aus dem Staub zu machen.
»Da! Dahinten sind sie!«, krakelte Mareike.
»Du hältst bei unseren Koffern die Stellung, verstanden?!«, befahl ich ihr im Kasernenton.
So unauffällig wie möglich pirschte ich mich an die japanischen
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