Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
halb geöffnete Tasche aus den Händen. Na bravo! Der größte Teil meines Survivalpacks lag nun verstreut im Gang.
»Kann ich vielleicht helfen?«
Ertappt wirbelte ich herum. Mir blieb an diesem Tag aber auch wirklich nichts erspart! Kaum hatte ich eine Turbulenz überstanden, geriet ich schon in die nächste: Ich ertrank fast in einem Paar strahlend blauer Augen, die mich freundlich-amüsiert musterten. Was für eine Verschwendung, schoss es mir durch den Kopf, eine Frau würde für diese Wimpern morden! Ansonsten hatte mein Gegenüber allerdings so gar nichts Feminines an sich – mit seinen breiten Schultern und seiner durchtrainierten Figur wirkte er sogar ausgesprochen männlich. Er überragte mich um ein ganzes Stück. Seine langen Beine steckten in anthrazitfarbenen, modisch geschnittenen Freizeithosen, dazu trug er ein klassisches weißes Hemd, das das Wahnsinnsblau seiner Augen vorteilhaft betonte. Ich versuchte mich zu erinnern, ob ich ihn schon mal irgendwo gesehen hatte. Vielleicht in einer Zeitschrift oder auf einer Plakatwand? In einem Werbespot für einen Rasierapparat? So scharf, dass er hinter Gitter muss … Der Mann hatte zweifelsohne Modelqualitäten.
In dem Moment begannen sich seine wunderbar sinnlichen Lippen zu bewegen. »Diese Luftlöcher sind wirklich tückisch.«
Ich nickte mechanisch. Dabei wanderten meine Augen von seinem Mund nach oben. Wenn es so etwas wie eine perfekte Nase gab – dieser Mann hatte sie. Nicht zu groß und nicht zu klein, eben perfekt. Ich versuchte, sein Alter zu schätzen. Den feinen Falten auf seiner Stirn und um die Augen herum nach zu urteilen, war er auf keinen Fall jünger als ich, wahrscheinlich sogar noch ein wenig älter. Anfang dreißig, eher Mitte dreißig.
»Alles in Ordnung?« Fürsorglich schob er seine Hand unter meinen Ellenbogen, um mich zu stützen. »Verträgst du das Fliegen nicht?« Er beugte sich besorgt zu mir herunter. Nun befanden wir uns etwa auf einer Augenhöhe. Erwartungsvoll schaute er mich an. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte, ohne auch nur einen Mucks von mir zu geben. Wie war noch gleich die Frage gewesen?
»Doch, doch, mir geht’s gut«, beeilte ich mich zu versichern. Wenigstens wusste er nun schon mal, dass ich nicht taubstumm war. »Mir war nur kurz etwas schwindelig.«
Haarscharf an der Wahrheit vorbeigeschrammt, aber auch nicht wirklich gelogen.
Ich stand da wie betäubt, während mein gut aussehender Samariter in die Hocke ging, um meine Notfallausrüstung für mich aufzulesen.
Als Erstes reichte er mir meine Umhängetasche, dann die Sonnenmilchflasche, den Reiseführer, ein Paket Tempotaschentücher und mein Lieblingsshirt. Während ich die Utensilien nacheinander wieder verstaute, stellte ich zu meiner großen Erleichterung fest, dass der Slip nicht herausgepurzelt war. Puh, sollte ich tatsächlich mal Glück gehabt haben?
Damit mich dieser Wahnsinnstyp nicht für komplett verblödet hielt, war es wohl langsam an der Zeit, etwas Geistreiches von mir zu geben. Oder wenn schon nichts Geistreiches, dann zumindest ein wenig Smalltalk.
»Fliegst du auch nach Griechenland?«
Um seine Mundwinkel herum zuckte es. »Falls der Pilot nicht von der Route abkommt oder der Flieger entführt wird, hoffe ich das doch schwer.«
In diesem Moment machte die Maschine erneut einen kleinen Hüpfer. Doch ich hatte aus dem Malheur mit der Tasche gelernt und stand da wie festbetoniert. Vermutlich der nächste Fehler. Denn wie oft im Leben bekam frau schon die Gelegenheit, sich so einem Adonis im wahrsten Sinne des Wortes an den Hals zu werfen?
»Hoppla, ganz schön turbulent.« Meine Reisebekanntschaft schenkte mir ein breites Lächeln, wobei eine Reihe strahlend weißer Zähne zum Vorschein kam. »Egal wie oft man fliegt, wenn die Kiste in ein Luftloch gerät, überfällt einen doch jedes Mal ein mulmiges Gefühl.«
»Geht mir genauso.«
Na bitte, die erste Gemeinsamkeit! Darauf konnte man aufbauen. »Aber wenn man der Statistik glaubt, dann ist es viel wahrscheinlicher, bei einem Autounfall als bei einem Flugzeugabsturz ums Leben zu kommen«, zitierte ich Mareike.
O Gott, was laberte ich bloß für einen Stuss?! Er tauchte erneut ab, um meine restlichen Sachen vom Boden aufzulesen. Sicher hatte ihn der Statistikmist gelangweilt – was man ihm nicht verdenken konnte.
»Darf ich dich mal etwas Persönliches fragen?«, tönte es plötzlich von unten.
»Klar!«
Im Geiste legte ich mir
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