Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
kurz nach elf. Meinem persönlichen Empfinden nach war es jedoch bereits kurz vor zwölf.
Nachdem Ludger Mareike zu ihrer Scheidung gratuliert und ihr einen riesigen Strauß Blumen überreicht hatte, knöpfte ich ihn mir vor. »Bei dir ist es aber lange acht Uhr«, fauchte ich wütend. »Ich dachte schon, du tauchst gar nicht mehr hier auf.«
»Sorry, mein Schatz, mir ist noch was dazwischengekommen, aber jetzt stehe ich dir voll und ganz zur Verfügung.« Zum Beweis seiner Worte küsste er mich ausgiebig.
Männer! Er glaubte allen Ernstes, dass er mich mit diesen Zungenspielen besänftigen konnte – und damit lag er richtig. Warum sich durch alberne Streitereien die Stimmung und die Party versauen? Hossa, der Abend war noch jung, und wir waren es auch!
Durch die weit geöffneten Fenster wehte eine angenehm warme Brise herein. Aaah, herrlich! Draußen roch es betörend nach Sommer – und nach Liebe. Na ja, und ein bisschen auch nach Grillwürstchen.
Ich war zu allen Schandtaten bereit. Mein Körper stand unter Hochspannung. An diesem Tag würde es passieren – da war ich mir ganz sicher! Ich war kerngesund und quietschfidel. Einer heißen Liebesnacht stand also nichts mehr im Wege. Doch dieses Mal wollte ich nichts dem Zufall überlassen! Ich hatte Verstärkung angefordert und mir einen Verbündeten zu Hilfe geholt: Johnny Walker. Natürlich wollte ich Ludger nicht betrunken machen, sondern nur ein bisschen lockerer …
Mit Argusaugen wachte ich über sein Glas. Sobald es leer war, sorgte ich für Nachschub und karrte neue Getränke heran. Für mich Wodka Lemon – ohne Wodka. Einer musste schließlich einen klaren Kopf behalten. Für Ludger Whiskey Cola, mit extra viel Whiskey. Die Krux bei der ganzen Sache war der richtige Alkoholpegel. Hoch genug, damit Ludger seine vornehme Zurückhaltung endlich über Bord schmiss. Aber niedrig genug, damit er im entscheidenden Moment noch seinen Mann stehen konnte.
Während ich heftig an Ludgers Schwips arbeitete, blieb auch Lili nicht untätig. Die kleine Hexe schmiss sich auf der Tanzfläche geradezu schamlos unserem Nachbarn an den Hals. Und das war durchaus wörtlich zu nehmen. Wie ein Kätzchen schmiegte sie ihr Gesicht an Philipps Halsbeuge. Fast meinte ich, ihr zufriedenes Schnurren hören zu können. Also, das war doch wirklich …!
Bis jetzt hatte ich Lilis Begeisterung für Philipp als harmlose Schwärmerei abgetan. Im Vergleich zu meiner Schwester war Philipp schließlich ein alter Sack! Aber Kopfrechnen war noch nie Lilis Stärke gewesen. Am liebsten hätte ich sie gewaltsam aus Philipps Armen gerissen.
Seit meine kleine Schwester auf der Welt war, hatte ich das Gefühl, auf sie aufpassen und sie beschützen zu müssen. Heute sogar fast noch mehr als früher, denn die Zeiten, in denen ihr die großen Jungs bloß an den Zöpfen ziehen oder unter den Rock schauen wollten, waren leider Gottes vorbei. Andererseits machte Philipp auf mich nicht den Eindruck, als würde er über alles herfallen, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Ich baute fest darauf, dass Frau Groß ihrem Enkel nicht nur heiße Schokolade, sondern auch die Grundbegriffe von Sitte und Anstand eingetrichtert hatte. Ein gestandener Mann wie er hatte es doch wohl nicht nötig, sich an so einem jungen Ding zu vergreifen! Dieser Gedanke beruhigte mich fürs Erste.
Davon mal abgesehen, hatte ich mit meinen eigenen Angelegenheiten im Augenblick genug zu tun. Bei dem nächsten langsamen Stück zog ich Ludger, der bereits etliche Drinks intus hatte, auf die Tanzfläche. Klammerblues hatten wir das in meiner Teeniezeit genannt. Und ich klammerte mächtig! Wie eine Krake umschlang ich Ludger mit allen mir zur Verfügung stehenden Gliedmaßen. Während wir uns eng aneinandergeschmiegt im Rhythmus der Musik wiegten, versuchte ich, mit meinem Körper zu ertasten, ob der kleine Ludger rauskommen und spielen wollte. Doch jedes Mal, wenn ich meinte, Erfolg zu haben, machte der große Ludger einen Schritt zur Seite. Und schon war ich wieder genauso schlau wie zuvor …
»Kommst du nachher noch mit zu mir?«, gurrte ich, als das Stück zu Ende war.
Ludger hauchte mir einen Kuss auf die Nasenspitze. »Sorry, Süße, das würde ich schrecklich gerne, aber diese Kopfschmerzen … grauenvoll, sag ich dir. Ich hab das Gefühl, mein Schädel platzt. Wahrscheinlich war das doch ein Gläschen Whiskey zu viel. Ich werde mir gleich ein Taxi rufen und nach Hause fahren.«
Ich hielt viel von Gleichberechtigung.
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