Der Kater der Braut: Roman (German Edition)
kommen.
»Wo bleibt denn dein Anwalt?«, wollte Philipp wissen, nachdem wir uns am kalten Büfett gestärkt hatten.
Wenn Philipp von Ludger redete, nannte er ihn immer nur »dein Anwalt« oder schlimmer noch: »dein Winkeladvokat«. Ich hasste das!
»Vielleicht findet Ludger keinen Parkplatz. Sicher wird er jede Minute hier sein.«
Die Minute verstrich, die nächste auch, und schließlich war bereits eine ganze Stunde vergangen, ohne dass Ludger sich hatte blicken lassen. Ich rief ihn auf seinem Handy an, doch ich bekam lediglich die Mailbox an die Strippe. Nachdem ich gerade wieder einmal vergeblich versucht hatte, Ludger zu erreichen, gesellte sich Jochen zu mir. Ich war mir nicht sicher, ob Mareike ihn aus rein freundschaftlichen Erwägungen oder zur Auffrischung sexueller Kontakte auf die Gästeliste gesetzt hatte.
»Hey Belinda, wo steckt Ludger?«
»Wenn ich das wüsste.« Ich schmiss mein Handy in die Tasche zurück. »Seit circa einer halben Stunde kommuniziere ich mit seiner Mailbox. Wäre nett, wenn er mal langsam hier auftauchen würde.«
»Hast du es mal auf seinem Festnetzanschluss probiert? Vielleicht ist er nach der Arbeit noch kurz nach Hause gefahren, um sich umzuziehen.«
»Er hat in seiner Wohnung einen Telefonanschluss?«, fragte ich verdutzt.
Jochen zog amüsiert die Augenbrauen nach oben. »Natürlich hat er Telefon. Strom und fließendes Wasser übrigens auch.«
»Komisch, mir hat er nur seine Handynummer gegeben.«
»Er ist ja ohnehin nur zum Schlafen zu Hause. Du weißt doch: Einen Selbstständigen hält nur der Tod von der Arbeit ab.«
»Kein Problem. Wenn er nicht bald auf der Matte steht, dann …« Ich fuhr mit meinem Daumen an der Gurgel entlang.
Als Philipp und seine Band zu ihren Instrumenten griffen, glänzte »mein Anwalt« immer noch durch Abwesenheit. Verdammt, wo steckte der Mistkerl?! In meinem Inneren begann es zu köcheln und zu brodeln. Doch bevor der schlecht gelaunte Murr, der wie ein Kobold motzend auf meiner Schulter hockte, vollends die Kontrolle über mich gewinnen konnte, begann die Band zu spielen.
Wow, die Jungs waren spitze! Sie heizten mit ihrer Musik den Partygästen mächtig ein. Ich ließ mich von dem Rhythmus und der guten Stimmung mitreißen und siehe da: Schon nach kurzer Zeit war mein Ärger über Ludgers Fernbleiben verflogen.
Nach Philipps erstem Saxophonsolo geriet vor allem Lili völlig aus dem Häuschen. »Ist Flippi nicht wunderbar?!« Wie ein Flummi hüpfte sie mit glänzenden Augen neben mir auf und ab.
Die Zeit verflog im Nu. Und dann kündigte Philipp zum allgemeinen Bedauern auch schon die letzte Nummer an. »Das Stück hab ich selbst geschrieben, es heißt Door to Door und ist einem ganz besonderen Menschen gewidmet.«
Es handelte sich um ein sehr langsames, sentimentales Stück mit einem wundervollen Refrain. Musik, die man nicht nur hören, sondern auch fühlen konnte.
Offenbar war ich nicht die Einzige, die die Musik völlig in ihren Bann gezogen hatte. Als die letzten Töne verklungen waren, herrschte andächtige Stille im Raum. Kein Mucks war zu hören. So als traute sich niemand zu atmen, geschweige denn zu sprechen, um den Zauber des Augenblicks nicht zu brechen. Erst als von der Straße die rumpelnden Geräusche eines vorbeifahrenden LKWs durch die weit geöffneten Fenster hereindrangen, entlud sich die Spannung in heftigem Applaus, Pfiffen und begeistertem Johlen. Hier und da wurden Rufe nach einer Zugabe laut, die sich schließlich zu einem lauten Sprechchor steigerten: »Zugabe, Zugabe!«
Die Jungs spielten noch eine schnelle, fetzige Nummer, bevor sie ihre Instrumente endgültig wegpackten.
Mareike zog mich zur Seite. »Täusche ich mich, oder hat Philipp dich angeschaut, als er das letzte Lied angekündigt hat?«
»Ach Quatsch! Wenn überhaupt, dann galt dieser Blick Lili. Sie stand direkt neben mir. Die kleine Kröte versucht doch schon die ganze Zeit, Philipp zu becircen.« Sorgenvoll zog ich die Stirn kraus. »Du glaubst doch nicht, dass er darauf angesprungen ist, oder?«
»Keine Ahnung. Vielleicht hab ich mich ja auch vertan. Oder Philipp hat nur zufällig in eure Richtung geschaut.« Mareike zuckte gleichmütig die Schultern. »Übrigens hat er angeboten, für die Flöhe im Kindergarten Saxophon zu spielen. Ist das nicht toll?«
Wir hatten keine Gelegenheit, weiter über das bevorstehende Kindergartenfest zu quatschen, denn in diesem Moment erschien Ludger auf der Bildfläche. Na endlich! Die Uhr zeigte
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